Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
für ein Büroschläfchen.
»Ich hab die Listen überprüft. Es waren fast nur Leute, die wir kennen. Denen wir vertrauen. Die Polizei hat alle Unterlagen bekommen.«
»Nein, nein, nein. Dieser Beamte. Olav. Der tigert doch ständig hier herum. Der muss es gewesen sein.«
»Lund hat ihn vernommen, wie alle anderen auch.«
Skovgaard hörte mit düsterer Miene zu. Das Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Streng. Geschäftsmäßig. Distanziert.
»Was soll ich der Presse sagen?«, fragte sie.
»Wie zum Teufel haben die das rausgekriegt? Kaum dass ich aus dem Saal war? Lund …«
»So ist das nun mal mit der Presse, Troels. Vielleicht hat ihnen jemand an der Pforte einen Tipp gegeben. Hier oder im Polizeipräsidium. So was lässt sich nicht geheim halten …«
»Irgendjemand hat sich mein Passwort verschafft. Irgendjemand hat mein Dating-Profil missbraucht und dem Mädchen Mails geschickt. Und Nethe Stjernfeldt hat der Polizei von mir erzählt. Herrgott nochmal …«
Von Wut gepackt, fegte er die Papiere von seinem Schreibtisch und stand dann im Schein der blauen Neonschrift am Fenster.
»Was für ein Dating-Profil?«, fragte sie in kühlem, neugierigem Ton. »Und wer ist Nethe Stjernfeldt?«
Weber stand auf und murmelte, er wolle sich die Listen noch einmal ansehen, ging hinaus und schloss die Tür hinter sich.
»Okay«, sagte sie, als Hartmann schwieg. »Keine Antwort. Wir erheben Zivilklage. Verhängen eine Nachrichtensperre. Wir wollen nicht noch mehr Schlagzeilen. Sie bekommen die Unterlagen morgen.«
»Vergiss es. Wir erheben keine Zivilklage. Wie kann ich Oberbürgermeister von Kopenhagen werden, wenn ich mitten in einem Rechtsstreit mit der Polizei stecke?«
»Ist das der einzige Grund?«
Sie waren jetzt fast sechs Monate zusammen. Sechs glückliche Monate alles in allem. Sie machte einen guten Job, sie war schnell, clever und einfallsreich. Aber die Arbeit brachte zu viel Nähe mit sich. Er brauchte Abstand. Sie auch.
»Die Polizei sucht einen Mann, der über eine Datingseite mit dem Mädchen korrespondiert hat.« Er versuchte es möglichst einfach, neutral und uninteressant zu formulieren. »Offenbar hat er ein Profil benutzt, das ich eingerichtet hatte. Vor langer Zeit. Bevor wir …«
Ihr Gesicht zeigte keinerlei Ausdruck, ihre dunklen Augen keine Wärme, keinen Schreck.
»Ich weiß nicht, wie es passieren konnte, aber ein paar Monate, nachdem ich damit aufgehört hatte, hat sich jemand anderer in das Profil eingeloggt. Hat mit dem Mädchen E-Mails ausgetauscht. Hat sich mit ihr in der Store Kongensgade getroffen.«
Er ging zu ihr, trat vor sie hin.
»Schau mich nicht so an, Rie. Du weißt doch, was mit mir los war, als wir uns kennengelernt haben.«
Er schloss die Augen. Der blaue Lichtschein von draußen war so hell, dass er ihn trotzdem sah.
»Wann hast du damit aufgehört?«
»Als ich dich kennengelernt habe.«
Er kam näher, streckte die Arme aus. Sie wandte sich ab und ging zum Schreibtisch.
»Da sind also jetzt zwei Dinge«, sagte sie. »Die Wohnung und das Dating-Profil. Mach eine Liste der Leute, die dein Passwort kennen könnten. Und überleg dir, was du morgen der Allianz sagen willst.«
Sie nahm den Terminkalender von seinem Schreibtisch.
»Um deine Termine soll sich Morten kümmern. Die Presse übernehme ich. Geh nach Hause, Troels. Zieh dich zurück. Ich will nicht, dass man dich so sieht.«
»Wie?«
»So armselig und voller Selbstmitleid.«
Er nickte schuldbewusst. Ließ die Arme sinken. Schob die Hände in die Taschen.
»Ist das alles, was du zu sagen hast?«
»Ist das alles, was du mir zu erzählen hast? Oder kommt da noch mehr? Gibt es noch mehr, was ich nicht weiß?«
»Nein«, versicherte er ihr.
»Hoffentlich.«
Als Lund in die Wohnung ihrer Mutter zurückkam, hörte sie Marks Vater Carsten über Eishockey reden. Sie legte ihren Mantel ab und ging ins Schlafzimmer, zog einen frischen Pullover an – nicht schwarz-weiß, sondern weiß-schwarz. Dann ins Wohnzimmer.
Carsten.
Ein sportlicher, sympathischer Mann. Zu intellektuell, zu ehrgeizig, zu genervt von der täglichen Routine, als dass er Polizeibeamter hätte bleiben können. Er erklärte Mark gerade die neuen Hockeyregeln und schwenkte den nagelneuen Schläger, den er ihm mitgebracht hatte. Lunds Sohn schaute ihm zu. Wie gebannt. Vibeke ebenfalls. Carsten besaß dieses Talent noch immer.
»Dann kann man leichter Tore schießen?«, fragte Mark.
»Genau. Du auch. Wir trainieren mal zusammen.«
Lund
Weitere Kostenlose Bücher