Das Verbrechen von Orcival
Abstellkammer unterbringen konnte. Ich behaupte gut und gern, daà sie ein Wohnzimmer haben, das genauso schön wie das auf Valfeuillu sein muÃ.«
»Kann sein. Aber was geht uns das an!«
»Aber, aber, Verehrtester, das geht uns sehr viel an, wie Sie gleich sehen werden. Wenn er viele und schöne Möbel haben wollte, konnte er sich wohl kaum an einen Antiquitätenhändler wenden. Er hatte nicht die Zeit, weder in der Rue Drouot oder im Faubourg Saint-Antoine zu kaufen. Also ist er zu einem Möbelhändler gegangen.«
»Einem renommierten Möbelhändler...«
»Nein, er hätte riskiert, erkannt zu werden. Natürlich hat er sich unter falschem Namen vorgestellt. Er hat sich irgendeinen geschickten und bescheidenen Möbelhändler gesucht, bestellt, was er brauchte, einen Liefertermin vereinbart und bezahlt.«
Der Friedensrichter begann zu verstehen.
»Dieser Händler«, so fuhr Lecoq fort, »wird sich an einen Kunden, der nicht gehandelt und sofort bar bezahlt hat, ganz gewià erinnern. Er wird ihn erkennen, wenn er ihn wiedersieht.«
»Was für ein groÃartiger Gedanke!« rief Vater Plantat begeistert aus. »Schnell, besorgen wir uns eine Fotografie von Trémorel, schicken wir einen Mann nach Orcival.«
Monsieur Lecoq hatte ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen. »Setzen Sie sich wieder, Herr Friedensrichter«, sagte er, »ich habe bereits das Nötige veranlaÃt. Gestern während der Untersuchungen habe ich drei Fotografien des Comte eingesteckt. Heute morgen habe ich mir die Adressen sämtlicher Pariser Möbelhändler aus dem AdreÃbuch herausgesucht und sie auf drei Listen verteilt. Und jetzt sind drei Männer unterwegs, jeder mit einer Liste und einer Fotografie versehen, und gehen von Möbelhändler zu Möbelhändler. Und wenn einer der Händler sagt: âºIch kenne den Mannâ¹, dann haben wir ihn.«
»Und wir werden ihn haben!« meinte Vater Plantat, vor Erregung ganz blaà geworden.
»Noch nicht, nicht so voreilig. Es könnte sein, daà Hector so vorsichtig war, nicht selbst zu dem Händler zu gehen. In diesem Fall hat er uns ausgestochen. Aber nein! So vorsichtig wird er nicht gewesen sein.«
Monsieur Lecoq hielt inne. Zum drittenmal hatte Janouille die Tür zum Arbeitszimmer geöffnet und gerufen:
«Monsieur, es ist aufgetragen...!«
Janouille, die ehemalige Zuchthäuslerin, war eine exzellente Köchin, das merkte Vater Plantat schon nach den ersten Bissen. Aber er hatte keinen Hunger, und er brachte es nicht fertig, sich zum Essen zu zwingen. Es war ihm unmöglich, an etwas anderes zu denken als an den Plan, den er Monsieur Lecoq unterbreiten wollte, und so verspürte er diesen schmerzhaften Druck, der einer Handlung voranzugehen pflegt, zu der man sich nur schweren Herzens entschlieÃen mag.
Umsonst bemühte sich der Mann von der Präfektur, der wie alle Menschen mit aufreibender Aktivität ein groÃer Esser war, seinen Gast zum Zugreifen zu ermuntern; umsonst füllte er dessen Glas mit einem vorzüglichen Bordeaux â dem Geschenk eines Bankiers übrigens, dessen durchgebrannten Kassierer er wiedergefunden hatte.
Der Friedensrichter blieb schweigsam und bedrückt und redete nur, wenn er etwas gefragt wurde. Er machte sich Mut, um sein Anliegen vorzubringen und die kindische Eigenliebe, die ihn immer im letzten Augenblick davon abhielt, zu bezwingen. Er hatte, als er hergekommen war, es nicht für möglich gehalten, solche Hemmungen zu haben. Er hatte sich gesagt: Ich werde eintreten und die Sache erklären. Aber nun wurde er auf einmal von solcher Scham gepackt, daà ihm die Röte ins Gesicht stieg und sich der Ãltere weigerte, dem Jüngeren seine Schwäche zu gestehen.
Befürchtete er denn, lächerlich zu wirken? Aber nein. Seine Leidenschaft stand doch über jedem Sarkasmus, jeder Ironie. Was riskierte er denn? Nichts. Hatte dieser Polizist, dem er sich nicht anzuvertrauen wagte, seine geheimen Gedanken nicht schon erraten? Hatte er nicht schon von Anbeginn in seiner Seele gelesen und später ein Geständnis entlockt? Daran muÃte er denken, als es an der Tür schellte.
»Monsieur«, meldete sich kurz darauf Janouille, »ein Polizist aus Corbeil mit Namen Goulard wünscht Sie zu sprechen. Soll ich öffnen?«
»Ja, führ ihn herein.«
Man hörte das Knirschen der Riegel
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