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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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›Madame‹, sagte ich, ›ich bin von ihrem verblichenen ersten Gatten beauftragt worden, Ihnen am Tag Ihrer zweiten Vermählung dieses Schriftstück, das er mir anvertraut hatte, auszuhändigen.‹
    Sie nahm das verschnürte Manuskript und die Flasche lächelnd entgegen und eilte sofort hinaus. In dem Moment änderte sich die Haltung des Comte. Er saß wie auf glühenden Kohlen. Ich bemerkte wohl, daß er liebend gern aufgesprungen und ihr nachgeeilt wäre, es aber nicht wagte, solange ich noch zugegen war.«
    Â»Leicht zu vermuten, was dann geschah«, unterbrach ihn der Beamte der Sûreté. »Die verehrte Dame hatte das Manuskript ihres gemordeten Gatten in Sicherheit gebracht, und als ihr neuer Mann sie bat, es ihm auszuhändigen, hat sie zu ihm gesagt: ›Suche.‹«
    Â»Sauvresy hatte mir nahegelegt, die Akte nur seiner Frau auszuhändigen.«
    Â»Oh, er weiß, wie man sich rächt. Er gibt seiner Witwe eine schreckliche Waffe in die Hand, die dazu dient, Trémorel kuschen zu lassen.«
    Â»Ja«, meinte Doktor Gendron, »bis zu dem Tag, da er sie umgebracht hat.«
    Der Polizeiagent hatte seine Wanderung durch die Bibliothek wieder aufgenommen.
    Â»Bleibt nur noch die Frage nach dem Gift offen«, sagte er. »Sicher eine einfach zu klärende Frage, da wir ja in dem Kabinett denjenigen festhalten, der es beschafft hat«
    Â»Ãœbrigens, was das Gift betrifft, so bin ich sicher, daß es sich um Eisenhut handeln muß. Sauvresy hat die Symptome sehr gut beschrieben. Robelot muß es aus meinem Laboratorium gestohlen haben.«
    Â»Soso«, bemerkte Monsieur Lecoq überrascht, »Eisenhut. Es ist das erstemal, das mir dieses Gift unterkommt. Ist es neu?«
    Â»Nicht so ganz«, sagte Doktor Gendron lächelnd. »Schon Medea verwandte es, wie es heißt, für ihre Giftmischerei. Und in Rom und Griechenland wurde es abwechselnd mit Schierling gebraucht, um Verurteilte hinzurichten.«
    Â»Und ich kannte es nicht! Aber man kann sich ja nicht um alles kümmern. Also war dieses Gift der Medea vielleicht verlorengegangen wie das der Borgia..., so viele Dinge gehen verloren!«
    Â»Nein, es ist nicht verlorengegangen, keine Sorge. Wir kennen es heutzutage aber kaum noch. In der Literatur wird es von Mathiole beschrieben, der damit im sechzehnten Jahrhundert an zum Tode Verurteilten Experimente durchführte; Hers gelang es 1833, das aktive Element, das Alkaloid, zu isolieren, und schließlich gibt es noch eine Abhandlung von Bouchardat, der behauptet...«
    Wenn unglücklicherweise Doktor Gendron einmal auf Gift zu sprechen kommt, so ist es schwierig, ihn davon wieder abzubringen. Aber andererseits verlor auch Monsieur Lecoq sein Ziel nicht aus den Augen.
    Â»Pardon, wenn ich Sie unterbreche, Doktor«, sagte er, »aber würde man Spuren von Eisenhut in einem seit annähernd zwei Jahren unter der Erde liegenden Körper finden? Monsieur Domini wird gewiß eine Exhumierung anordnen müssen.«
    Â»Die Reaktionen von Eisenhut, Monsieur, sind nicht bekannt genug, um es an verwesenden Substanzen isolieren zu können. Bouchardat hat wohl vorgeschlagen, es mit Hilfe von Kaliumjodid zu spalten, worauf ein orangefarbener Niederschlag entstünde, aber mir ist dieses Experiment nicht gelungen.«
    Â»Zum Teufel«, meinte Lecoq, »das ist ja ärgerlich.«
    Der Doktor lächelte triumphierend.
    Â»Keine Sorge«, sagte er, »ich habe ein neues Verfahren erfunden.«
    Â»Aha!« rief Vater Plantat aus. »Ihr Lackmuspapier!«
    Â»Genau.«
    Â»Und Sie werden Eisenhut in Sauvresys Körper finden können?«
    Â»Ich würde, Herr Polizist, ein Milligramm Eisenhut in einem Mammutgrab nachweisen können.«
    Monsieur Lecoq wirkte zufrieden wie ein Mann, der endlich Gewißheit darüber gewonnen hat, daß er eine Aufgabe, die anfänglich etwas schwierig war, gut zu Ende führen würde.
    Â»Das wär's!« rief er aus. »Unsere Untersuchung ist komplett. Die von dem Herrn Friedensrichter dargelegten früheren Fälle sind der Schlüssel zu all den Ereignissen, die auf den Mord des unglückseligen Sauvresy folgten. Jetzt wird der Haß der offensichtlich so glücklichen Eheleute verständlich. Jetzt erklärt sich, weshalb der Comte ein junges Mädchen mit einer Million Mitgift zu seiner Geliebten und nicht zu seiner Ehefrau machte. Wenn er seine Frau

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