Das Verlies
geliebt, und Dr. Becker war ein äußerst fähiger Anwalt, der kaum zu ersetzen sein wird. Und anscheinend haben Sie vergessen, dass ich das Opfer bin beziehungsweise sein sollte.«
»Warum haben Sie Ihre Frau so häufig misshandelt?«
»Wer behauptet das? Ich habe Ihnen bereits am Samstag gesagt, dass ich meine Frau zwar geschlagen habe, aber von Misshandlung war nie die Rede. Und wer etwas anderes behauptet, lügt.«
»Sie haben ihr die Zähne ausgeschlagen, ihr den kleinen Finger gebrochen, so dass sie nicht mehr richtig Klavier spielen konnte, Sie haben sie derart misshandelt, dass sie oftmals tagelang nicht das Haus verlassen konnte. Ihre Mutter hat dann auf sie … aufgepasst.«
»Ach, kommen Sie, das sind Lügengeschichten, an den Haaren herbeigezogene Märchen! Ich …«
»Sie haben mehrere Frauen auf das Schwerste misshandelt. Ich will keine Details nennen, doch mir liegen die Aussagenmehrerer Personen vor, die diesen Vorwurf bestätigen. Was haben Sie dazu zu sagen?«, fragte Durant gelassen.
»Von wem haben Sie denn diesen Blödsinn?«
»Das tut im Augenblick nichts zur Sache. Es sind auf jeden Fall Personen, die dies vor Gericht beeiden würden.«
»Jeder Eid kann ganz schnell zu einem Meineid werden, das wissen Sie so gut wie ich. Und jetzt möchte ich bitte mit meinem Anwalt sprechen, da dies ja ganz offensichtlich ein Verhör ist und ich mir nicht länger diese Unverschämtheiten bieten lassen will.«
»Sie können Ihren Anwalt sprechen, wenn wir mit der Befragung fertig sind.«
»Stehe ich unter Mordverdacht? Wenn ja, verlange ich, meinen Anwalt zu sprechen.«
»Bevor ich’s vergesse, Sie haben natürlich das Recht, die Aussage zu verweigern, jedoch kann alles, was Sie sagen, vor Gericht gegen Sie verwertet werden. Das nur, damit auch die Formalitäten abgeklärt sind …«
»Das sind Nazimethoden …«
»Schön, dann sind es eben Nazimethoden. Wenn Sie sich nichts vorzuwerfen haben, können wir ja fortfahren, wir haben nämlich unsere Zeit auch nicht gestohlen. Sie haben sich Anfang Juni dieses Jahres eine CT Ihres Thorax machen lassen und haben Ihren Hausarzt, Dr. Meißner, gebeten, Ihnen zu erklären, wo man hinschießen muss, um nicht tödlich getroffen zu werden. Angeblich haben Sie einen Film gesehen, in dem Ihnen Ungereimtheiten aufgefallen sind …«
»Meißner ist ein Spinner! Sie glauben doch wohl einem Ex-Knacki nicht so einen Blödsinn …«
»Herr Lura, Sie hatten zwei Kugeln in ihrem Körper, und zwar an genau den Stellen, die Ihnen von Dr. Meißner unter anderem gezeigt wurden.«
»Zufall, purer Zufall. Ist es vielleicht meine Schuld, wenn meine Frau nicht richtig zielen kann?!«
»Zufall«, sagte Hellmer und beugte sich noch weiter nach vorn. »Wie war das eigentlich in Ihrer Kindheit und Jugend, als Sie sich oft verletzt haben. Was waren das für Verletzungen?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
»O doch, das wissen Sie schon. Wir haben mit Ihrem damaligen Arzt, einem gewissen Dr. Hahn, gesprochen, der uns sehr aufschlussreiche Details genannt hat …«
Lura lachte zynisch auf und meinte: »Dr. Hahn, ich wusste gar nicht, dass der noch lebt. Na gut, er ist ein alter, seniler Mann. Was wollen Sie denn mit dem?«
»Er ist alt, das stimmt, aber senil ganz sicher nicht, davon haben wir uns einen Eindruck verschafft. Wollen Sie uns nicht sagen, warum Sie sich als Kind und Jugendlicher permanent selber verletzt haben? Im Fachjargon nennt man das auch autoaggressives Verhalten. Aber autoaggressives Verhalten hat immer etwas mit Aggression gegenüber andern zu tun, die man jedoch nicht rauslassen kann, weil man ja noch ein Kind ist.«
»Ich weiß noch immer nicht, wovon Sie sprechen. Außerdem habe ich selber Psychologie studiert und das Examen mit magna cum laude bestanden, aber das wissen Sie sicher längst. Ich kenne mich mit Autoaggressionen bestens aus, doch Sie sollten bedenken, dass dieses Krankheitsbild wesentlich komplexer ist, als Sie es hier darzustellen versuchen«, erwiderte Lura erneut überheblich lächelnd. »Ich wette, Sie haben dieses Wort gestern oder vorgestern zum ersten Mal gehört.«
Hellmer blieb unbeeindruckt und fuhr fort: »Sie waren einundzwanzig und wollten einen BMW haben, den Ihr Vater Ihnen aber nicht zu kaufen bereit war. Sie haben sich eine schwere Gehirnerschütterung zugefügt, lagen eine Woche im Krankenhaus, aber schließlich haben Sie Ihr Ziel erreicht, nämlich den ersehnten Wagen. Korrigieren Sie mich, wenn ich etwas
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