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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Birmingham
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hatte das getan, was sie von ihm verlangt hatte, und sie so nahe wie nur möglich ans Ziel gebracht. Sie zweifelte nicht daran, dass er, falls er die nächsten zwei Tage überlebte, nachsehen würde, was aus ihnen geworden war und ob sie die Rubin-Papiere bekommen hatten. Natürlich hatte er Recht damit. Wenn sie diese Papiere erst mal besaßen, dann wäre es kein Problem, die Angelegenheit mit dem Geschäftsmann zu bereden. Die Rangers als stille Teilhaber mit reinzunehmen war nur ein kleiner Schachzug in dem chaotischen und gefährlichen Spiel, auf das sie sich hier in den Straßen von New York eingelassen hatten. Sie würde darauf achten, dass alle ihren Anteil bekamen.
    Aber nun wollte sie einfach nur den Augenblick genießen, bevor sie sich wieder ins Kampfgetümmel stürzte.
    Die Luft hier oben auf dem Dach des Wolkenkratzers war erstaunlich sauber und frisch. Sie hatte erwartet, dass sie die chemischen Dämpfe der brennenden Gebäude und den Rauch der Artilleriegeschütze bis hierher riechen würde, aber der Nordwind trieb die Aschewolken und den Gestank des Krieges Richtung Bucht zur Freiheitsstatue hin, die man von hier aus am Rand der Rauchwand erkennen konnte. Von hier aus wirkte es für Julianne so, als würde sie auf dem höchsten Punkt der Welt stehen. Die unglaublich schnellen Kampfjets, die ständig aus dem Himmel herabschossen, und die insektenartigen Helikopter wirkten so klein und weit entfernt, als wären sie überhaupt keine konkrete Bedrohung aus Stahl und Feuer, zerstörerische Maschinen, die von Menschen gesteuert wurden, sondern mystisch wirkende Erscheinungen oder einfach nur hübsches kleines Spielzeug. Graue fliegende Festungen, die aussahen wie kleine Badewannen, schleuderten Granaten in die Ruinen, als wollten sie sie vollständig
dem Erdboden gleichmachen. Sie schüttelte den Kopf.
    »Blast die Fanfare«, murmelte sie vor sich hin, als tödliche, orangefarbene Feuerbälle sich über dem Flatiron Building wie Blüten entfalteten. »Lasst die Flöten singen! Die fühlende Welt soll es erfahren …«
    »Was ist denn los, Miss Julianne?«, fragte Rhino, der jetzt neben ihr auftauchte, sich den Helm abzog und die Glatze massierte.
    »Ein einziger glorreicher Augenblick genügt«, sagte sie leise, »um ein namenloses Jahrhundert zu bewahren.«
    »Ha, ja, genau«, rief Rhino aus. »Können wir dann gehen?«
    »Du bist nicht gerade zum Dichter geboren, Rhino, oder?«
    »Nein, Ma’am. Ich bin nur ein Exemplar einer bedrohten, jähzornigen Spezies mit einem Horn im Gesicht und zwei weiteren an diesem grandios dämlichen Helm.«

34
    New York
    Yusuf Mohammed hatte sich zum ersten Mal eine Frau genommen, als er schon einige Jahre in der Göttlichen Befreiungsarmee gewesen war. Vorher war er ja noch ein Kind und nicht in der Lage gewesen, das mit einer Frau zu tun, was die älteren Kämpfer oft machten. Aber eines Tages, kurz nachdem die zerstörerische Energiewelle über Nordamerika gekommen war und Verwüstung und Tod über den Rest der Welt gebracht hatte, bekam Yusuf zum ersten Mal einen lebendigen Preis. Das war, nachdem die Männer von Captain Kono einen erfolgreichen Überfall auf einen Konvoi mit medizinischen Helfern, die aus dem verwüsteten Ägypten zurückkamen, verübt hatten. Er erinnerte sich nicht gern daran. Die Frau, eine junge französische Krankenschwester, war noch nicht gefügig gemacht worden und hatte sich erbittert gewehrt. Noch immer waren einige Narben an seiner linken Wange zu sehen, die von ihren Fingernägeln stammten.
    Diese junge Ungläubige hier war dagegen viel angenehmer. Sie unterwarf sich ihm willig, und auch wenn ihre Begeisterung nur vorgetäuscht war, war das eigentlich egal. Nach dem Schreckenserlebnis auf Ellis Island, seinem Weg durch den Fluss und das östliche Manhattan war es überaus angenehm, eine Frau bei sich zu haben, die sich hingab, auch wenn sie beide wussten, dass sie gar keine andere Wahl hatte.
    Danach tat sie ihm sogar ein bisschen leid, und zu seiner eigenen Überraschung schämte er sich sogar ein wenig.
Er erinnerte sich noch sehr gut daran, wie er von Captain Kono gefangen wurde und wie unglücklich er gewesen war, dass man ihn zum Dienst in der Befreiungsarmee gezwungen hatte. Und nun lag dieses Mädchen aus dem persönlichen Harem des Emirs neben ihm im Bett eines Hotelzimmers, und er fragte sich, welche schlimmen Schicksalsschläge dieses Mädchen wohl hierhergeführt hatten.
    Sie war eine junge Amerikanerin und sah genauso aus, wie

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