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Das verlorene Observatorium

Das verlorene Observatorium

Titel: Das verlorene Observatorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Eitelkeit oder Liebe zu Dingen hin. Wir waren uns am Ende sicher, daß Anna Taps recht schlichter Lebensstil nur provisorisch war. Ihre restlichen Sachen würden sicherlich bald nachkommen. Natürlich würden wir dafür Sorge tragen, daß uns Anna Tap noch vor deren Ankunft verlassen hatte, denn mehr Gegenstände würden ihr nur Mut machen, länger bei uns zu verweilen; persönliches Eigentum verleiht Menschen ein gewisses Sicherheitsgefühl. Wir waren hocherfreut, daß ihr Einzug noch nicht abgeschlossen war. Zum Glück bedeutete dies auch, daß es weniger Arbeit beim Verlassen der Wohnung gab.
    Wir hörten Anna Tap in ihr zeitlich befristetes Zuhause zurückkehren und dann, wenig später, erreichte uns ein jäher Schrei aus dem dritten Stock. Unten in Wohnung 6 lächelten Bugg und ich uns an.
Ein Todesfall erschüttert uns mehr als die Hinterbliebenen
    Als wir zur verabredeten Zeit während der Abendnachrichten Miss Higgs besuchen wollten, um ihr von unseren Fortschritten zu berichten, hörten wir Stimmen aus ihrer Wohnung kommen. Diese Stimmen, es waren zwei, gehörten nicht zu einem Fernseher. Die Stimmen gehörten Miss Claire Higg, Fernseheinsiedlerin und Anna Tap, vorübergehende Bewohnerin von Apartment 18.
    Zwei Stunden später, während der nächsten Nachrichtensendung, wurden wir aufgeklärt. Claire Higg hatte einen zutiefst betrüblichen Verlust erlitten. Es hatte einen Todesfall gegeben. Wir waren überrascht, konnten wir uns doch nicht erinnern, daß sie Freunde oder Verwandte hatte, konnten wir uns doch niemanden vorstellen, dessen oder deren Tod sie erschüttert haben könnte. Die Nachricht über den Todesfall hatte sie veranlaßt zu schreien. Es war nicht, wie wir zunächst glaubten, Anna Tap, die beim Betreten ihrer provisorischen Wohnung geschrieen hatte, sondern Claire Higg. Diese hatte ihre Wohnungstür geöffnet, um zu schreien, wobei sie hoffte, daß der Schrei die Ohren von Peter Bugg oder Francis Orme erreichen würde. Sie wollte Gesellschaft. Sie brauchte Trost. Doch die Gesellschaft, nach der sie verlangte, war nicht gekommen. Statt dessen hatte sie Besuch bekommen von Anna Tap. Claire Higg beeilte sich, darauf hinzuweisen, daß Miss Tap im Gegensatz zu Peter Bugg und Francis Orme umgehend gekommen war, um Beileid und Trost zu spenden.
    Der Todesfall war völlig überraschend gekommen. Der Verstorbene sei erschossen worden, erklärte sie und zwar aus kürzester Entfernung. Sieben Schüsse. Er stürzte zu Boden. Er hatte nicht die geringste Chance.
    Wer ist tot? Wer wurde erschossen?
    Miss Claire Higg zeigte auf eines der Photos des Mannes mit dem Schnurrbart, die sie aus einer Illustrierten ausgeschnitten hatte. Nun mag man denken, daß ein solcher Todesfall, der Tod einer frei erfundenen Gestalt, wohl kaum Grund zum Schluchzen sein kann. Unter Umständen sind solche Todesfälle einen Seufzer wert, aber nicht mehr. Jedoch nicht bei Miss Higg. Für sie stellte dieser Todesfall eine echte Tragödie dar. Für sie war der schnurrbärtige Mann eine echte Person, er war ihr Freund. Der ihr auf grausame Weise genommen wurde durch (ihrer Überzeugung nach) echte Kugeln. Zum Beweis gab es sogar (falsches) Blut. Wir konnten nicht sagen, Keine Sorge, Miss Higg, es ist nur eine Geschichte. Der Schauspieler mit dem Schnurrbart lebt noch und es geht ihm gut. Das konnten wir nicht sagen. Hätten wir es versucht, hätte Miss Higg uns nur ungläubig angestarrt und geseufzt, Du armes Geschöpf, du armes Geschöpf. Waren wir wieder zu lange in der Sonne gewesen? Nein, nein, wir mußten diese absurde Scharade fortsetzen und Claire Higg trösten, weil wir ja herausfinden wollten, was sich zwischen ihr und Anna Tap abgespielt hatte.
    Offenbar war Anna Tap sehr liebenswürdig gewesen. Sie hatte Claire Higg sogar eine ihrer Zigaretten angeboten. Der Verstorbene hatte ebenfalls geraucht. Eine andere Marke zwar, aber die Wirkung war die gleiche: Higg fühlte sich dem Schnurrbartträger näher. Anna Tap hatte sich offenbar geduldig Miss Higgs Erinnerungen an den toten Mann angehört. Besser gesagt, an die tote fiktionale Gestalt. ich lasse mich wirklich gehen. Miss Tap hatte sogar gesagt, sie würde gerne wissen, wie sich ein solcher Verlust anfühle.
    Aber nein, meine liebe Annie und stören Sie sich nicht daran, wenn ich Sie meine liebe Annie nenne und nicht Anna. Sie sollten von Glück reden, daß Sie noch nie einen solchen Verlust erlitten haben. Es ist wirklich schrecklich. Jetzt werde ich wahrscheinlich bis an

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