Das Vermaechtnis
eines Adlers gleicht, ist genau das, was die beiden zu einem sicheren Ort führen wird. Sie sind beide kräftig gebaut, die Götter haben sie mit den besten Körpern für eine lange Reise auf dem Meer ausgestattet. Wenn sie heute zurückkommen, werden sie innerlich und äußerlich bereit sein für ihre bald anstehende weite Reise.“
„Woher wissen sie, welchen Weg sie über die Berge wählen sollen? Für mich wäre es schwer, sich an Land in der Fremde zurechtzufinden. Auf dem Meer ist es etwas anders. Da verstehe ich jede Welle und jeden Wind. Sind die beiden den Weg zuvor schon einmal gegangen? Was ist das für ein Weg? Können sie nicht einfach hinaufgehen, an einen Ort, dort eine Unterkunft errichten, die Tage dort verweilen und wieder zurückkommen, das wäre doch das einfachste“, will Alēi’na genauer wissen.
Kahuna - Koī und Uhala’an müssen unwillkürlich bei diesen lauten Überlegungen ihrer von den Göttern geschenkten Tochter lachen. Kahuna - Koī nickt Uhala’an zu und sie erzählt:
„Ganz so einfach ist es nicht, denn der Kahuna hat ihnen eine Aufgabe mitgegeben. Sie sollen von bestimmten Orten auf ihrem Weg Pflanzen mitbringen, Pflanzen, die nur dort wachsen. Die schönste ist die Mondlichtblume, die bis zu zwanzig Makahiki -Feste lang wächst, um einmal in einer Pracht von bis zu 500 Blüten zu blühen, um dann ihre Samen abzuwerfen und zu sterben. Sie wachsen nur dort oben an den trockenen Lava-Hängen, dort, wo sonst nichts anderes mehr gedeiht.“
„Es war aufregend, als wir die beiden vor vielen Tagen morgens nach Sonnenaufgang bis zur letzten Vulkanpalme gebracht haben und sie dann allein weitergezogen sind, hinauf in die Berge. Alle haben so lange gewartet, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Bei uns ging jeder seiner Arbeit nach und die beiden zogen los zu Orten, wo die meisten von uns noch nie gewesen sind. Ich kenne nur die Regenbogenwasserfälle. Pu’kon erzählte mir, dass sie dort aber erst auf dem Rückweg sein werden. Wo werden sie noch überall gewesen sein? Gehen sie hoch bis zum Reich von Poliahu , der Göttin des Schnees? Dort soll es so sehr kalt sein, dass alles so hart wird wie Stein. Das ist doch sehr gefährlich, sie bräuchten dann viele Umhänge mit vielen Federn…“, will Alēi’na wieder genauer wissen.
„Ja, du hast Recht, das Wetter ist sehr unterschiedlich hier auf der Insel. Hier sind wir eine angenehme Wärme gewöhnt. Es ist das ganze Jahr über so, dass wir nicht frieren müssen. So ist es an diesen Küsten. Gehst du höher, wird es kühler und auch feuchter. An den Hängen im windigen Nordosten schütten die Wolken ihr Wasser in großen Mengen aus. Folglich wachsen dort ganz andere Pflanzen als auf dieser Seite. Unsere Seite ist die dem Wind abgewandte Seite und weiter oben es ist sehr trocken.
Ganz oben, aber das ist wirklich ganz oben – so weit müssen Pu’kon und Nainoa nicht gehen – ist es eiskalt, dort gibt es nur Eis und Schnee. Daselbst sind auch keine Pflanzen mehr zu sehen, höchstens vielleicht kleine Käfer, die Eisluftkäfer, denn es scheint so als sei die eisige Luft ihre Nahrung.
Doch zum Lebenden Berg und zum Schlafenden Berg sollten sie gehen. Die Wege sind oft sehr beschwerlich zu begehen, steinig, kantig, krumm und schief, zum Stolpern verleitend. Sie haben sich Schuhe gearbeitet, um ihre Füße nicht in dem scharfkantigen Stein aufzuschlitzen. An tiefen Schluchten geht es entlang, steilen Berghängen hinauf und hinab, aber auch durch Grasfelder, die die Beine umschmeicheln, und durch Meere bunter Blumen. Sie sind überall umgeben von neuen Geräuschen, Winden, die mal singen, mal heulen und mal schreien. Sie gehen durch Wolkenseen, oben am Kraterrand. Kahle Erde ist dort und auf der anderen Seite dann eine kaum zu durchdringende Pflanzenwelt und nasse Luft. Dort ist es besonders schwer für sie, sich zu orientierten, denn ist man einmal mitten drin, dann sehen alle Richtungen gleich aus – überall grüne Wände, feucht, nass, auch der Geruch ist wieder anders, viel schwerer. Die Vögel scheinen lauter zu singen. Es ist als wäre man in einer großen grünen Hütte.“ Alēi’nas Augen glänzen: „An dem Stand der Sonne können sie sich orientieren, oder sie können auf einen Baum klettern, um einen Überblick zu bekommen“, überlegt sie laut.
„Ja, durchaus. Besondere Freude werden sie mit der nēnē haben. Manche von ihnen lieben es, die seltenen Besucher zu begleiten und watscheln freudig schnatternd hinter
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