Das Vermaechtnis
sich wie befreit an, nachdem ich den Reisestaub abgeschrubbt hatte. Ich verdrängte ganz bewusst den schmerzhaften Gedanken, weder meine Eltern noch meine beste Freundin Kim an diesem wichtigen Tag meines Lebens bei mir zu haben und genoss stattdessen den ungewohnten Luxus einer Badewanne. Nur widerwillig erhob ich mich schließlich aus dem inzwischen erkalteten Wasser und wickelte mich in das Handtuch, welches auf dem Sessel für mich bereitlag. Gerade, als ich überlegte, mich für ein kurzes Nickerchen auf Paytons Bett zu legen, öffnete sich die Tür, und Nanny MacMillan kam herein, auf dem Arm ein Tablett mit allerlei Speisen.
„Mädel, wie schön, dich wieder bei uns zu haben!“, rief sie und stellte ihre Fracht ab, um mich an ihre Brust zu ziehen. „Und was für wunderbare Neuigkeiten! Ich habe gleich gewusst, dass du das Herz am rechten Fleck hast – und der Laird hat’s auch erkannt.“
Sie dirigierte mich zum Tisch und drückte mich mit sanfter Gewalt auf den Stuhl vor die Speisen.
„Hier, trink eine Tasse Tee und iss, ehe der Haferkuchen kalt wird. Honig ist in dem Töpfchen.“
Sie schenkte mir das dampfende Gebräu ein und begann, mein Haar mit dem Handtuch trocken zu kneten, während ich ihrer Aufforderung folgte und mir ein Stück von dem Kuchen abbrach und in den Honig tunkte. Der war viel dicker und dunkler als der Honig aus dem Supermarkt, aber um Welten aromatischer. Ich schmeckte regelrecht die Kleeblüten aus der süßen, goldenen Masse heraus.
„Ist lange her, dass ich den alten Laird so glücklich sah wie heute. Du musst wissen ...“, flüsterte sie verschwörerisch, „… er nimmt sich das mit seinen Söhnen und dem vermaledeiten Fluch so zu Herzen, dass ich schon fürchtete, der Gram schaufelt ihm langsam aber sicher sein Grab.“
Sie griff in ihre Rocktasche und holte einen Hornkamm hervor. Mit gleichmäßigen Bewegungen begann sie, meine Haare zu entwirren und einzelne Strähnen mit Nadeln auf meinem Hinterkopf festzustecken.
Sie schwieg einen Moment, da sie die Haarnadeln zwischen ihren Lippen hielt, während sie die Frisur bearbeitete. Schließlich hatte sie alle Nadeln untergebracht, einzelne Strähnen um mein Gesicht gezupft und trat zufrieden einen Schritt zurück.
„Wir sollten nicht deine zauberhaften Ohrringe verdecken“, schlug sie vor und strich mir eine vorwitzige Locke hinters Ohr.
„Sehr schön!“, lobte sie sich selbst. „Dann husch, husch in dein Kleid, ehe der McLean dich hier im Hemd begrüßt.“
Sie zog mich auf die Beine und wickelte mich aus dem Handtuch. Meine Gegenwehr ignorierte sie ebenso, wie sie meiner Nacktheit keine Beachtung schenkte, als sie die Tür öffnete und in den Flur hinaus irgendwelche Befehle bellte.
„Ich weiß nicht, wie lange dieses faule Ding braucht, das Kleid aufzubügeln!“, schimpfte sie, und ich musste bei der Erinnerung an diesen Ton schmunzeln. Nur selten schlug die alte Frau einen anderen Ton an. Nicht einmal Fingal gegenüber ließ sie den nötigen Respekt erkennen, und ich war selbst Zeuge geworden, wie sie mit ihm in der Halle vor versammelter Mannschaft so umgesprungen war.
Ich raffte schnell die Bettdecke an mich, als sich erneut die Tür öffnete und ein eingeschüchtertes Mädchen mit einem Kleid über dem Arm hereinkam.
„Na endlich! Wo warst du denn so lange? Nun steh dir nicht die Beine in den Bauch, sondern räum das Geschirr weg und bring Gläser. Der Laird will mit seiner künftigen Schwiegertochter trinken – und wird sicher gleich hier sein.“
Mit zitternden Fingern tat die junge Magd wie geheißen, und im Nu war ich wieder mit Nanny MacMillan allein.
Sie hielt mir das Kleid hin und lächelte.
„Mädel, du wirst eine recht ordentliche Braut abgeben.“
Ich strich über den weißen, glänzenden Stoff mit der hellblauen Stickerei. Hochlanddisteln wie auf dem Clanswappen der McLeans zierten den Saum und die durchscheinenden Ärmel, während das Mieder und der Rock selbst schlicht gehalten waren. Die Bänder, mit denen das Mieder im Rücken geschnürt wurde, waren blassblau wie das dünne Hemd, welches unter dem Kleid getragen wurde.
„Es ist wunderschön“, stimmte ich der alten Amme zu und streckte ihr meine Arme entgegen, damit sie mir in das Hemdchen und die Reifröcke helfen konnte.
Im Nu war ich in das Kleid geschnürt und rang um Atem, so eng saß das Mieder.
Aber verflucht, so unbequem das auch war, ich musste zugeben, es sah fantastisch aus.
Gerade schob mir die Amme passende
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