Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
kunstvoll in das perlmuttschimmernde Haar eingeflochten, ein mit Perlen verzierter Goldreif, dessen Mittelpunkt zwei ineinandergeschlungene Drachen bildeten, deren Köpfe ein Purpurherz umschlossen. Das Symbol der Fibel! Das Antlitz – Josie drängte sich unmittelbar dieses altmodische Wort auf – der hohen Fee strahlte, ja es schien in die Herzen aller Anwesenden zu strahlen.
Als sie die Mitte des Saals erreicht hatte, blieb Órlaith stehen, worauf sich das bunte Volk der Sidhe tief vor ihr verneigte. Dann verstummte die Musik.
»Gesegnet sei die Königin, die Herrscherin Narrandas.« Im Chor erschallte der Gruß durch den Saal.
Lächelnd hob die Königin die schlanken Hände wie zu einem Segen. »Willkommen, ihr geliebten Völker, die ihr euch hierher aufgemacht. Wir danken jedem für die Mühen, die seine Reise mitgebracht.«
Órlaith neigte das Haupt zu einer angedeuteten Verbeugung. Dann blickte sie ernst in die Runde.
»So lasst den Trusadh nun beginnen, die Dinge steh’n für uns nicht gut. Doch lasst uns heut auf Rettung sinnen, voll Zuversicht und Kraft und Mut.«
Damit schritt sie auf den Thron zu, neben dem sich ihr Gefolge bereits aufgestellt hatte. Nachdem sie sich niedergelassen hatte, gab sie ihren Untertanen mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie sich nun ebenso setzen sollten.
Der Zwerg mit dem Stab trat vor und wies Josie einen Stuhl zu, von dem aus man den ganzen Saal überblicken konnte. Zögernd folgte sie der Aufforderung. Wolf begleitete sie. Trotz ihrer eigenen Aufgeregtheit entging ihr nicht, dass auch er sich ganz und gar nicht wohl in seiner Haut fühlte.
Dann war der Große Trusadh eröffnet.
Zunächst hielten die Abgesandten aller Völker ihre Ansprachen, die zwar mit blumigen Grußworten begannen, aber zumeist in Klagen endeten. Die vielen Nebelalarme, die ständige Bedrohung ängstigte alle. Ganz besonders litten diejenigen, die im Nordgebirge und seinen Tälern beheimatet waren, unter der Finsternis, die die Nebel mit sich brachten. Die dünnen Kopfwackler, die sich – soweit Josie verstanden hatte – von Holzmehl ernährten, jammerten, dass selbst die Holzwürmer die Gegend verlassen hätten, weshalb sie gezwungenermaßen in den Silberwald hätten umsiedeln müssen. Worauf sich sofort die hellhäutigen Silberelben in den durchsichtigen Hemden beschwerten, die Kopfwackler störten ihre Ruhe, da diese rastlos durch den Forst zappelten und mit ihren langen Zeigefingern gegen die Bäume klopften, um an Wurmmehl zu kommen.
Es gab einige solcher Missstimmungen zwischen Auswanderern des Nordgebirges und Einheimischen. Nicht nur die Kopfwackler hatten sich eine neue Bleibe suchen müssen. Die Bunnypuks – so hießen die Sidhe mit den Hasenohren – jammerten zum Beispiel über eine Rotte Zotteltrolle, die sich in ihrem Tal eingenistet hatte und sich nun einen Spaß daraus machte, die Bunnypukkinder zu erschrecken.
Nur die unscheinbar grauen Grottenschlecker, kleine, unbekleidete, nicht eben ansehnliche Kerlchen mit breiten Mäulern, die bei jedem quäkenden Wort ihre fleischigen Zungen herausstreckten, schienen sich von den Nebeln nicht beeinträchtigt zu fühlen. Sie profitierten sogar von der Klimaveränderung, da sie sich von dem Niederschlag ernährten, der an den zunehmend feuchten Felswänden herablief.
Aber neben den Sorgen, die durch die Nebel verursacht wurden, gab es noch andere Probleme, die die Sidhevölker mindestens ebenso sehr bedrückten. Zu Josies Überraschung meldeten sich die Moosboggels zu Wort. Allen voran natürlich wieder ihr großmäuliger Anführer.
Als Josie jedoch hörte, was er vorzubringen hatte, begann sie zu verstehen, warum die Moosboggels so wütend auf die Schepsel waren. In den vergangenen Jahren war ein Großteil ihres angestammten Gebietes abgeholzt und bebaut worden. – Josie sah unwillkürlich das Neubaugebiet vor sich, durch das sie neulich geradelt war. – Und selbst die alten Kultstätten, die noch vor hundert Jahren kein Mensch anzurühren gewagt hätte, würden heute nicht mehr respektiert. Rath Doire sei von riesigen Maschinen teilweise schon zerstört worden.
Arthurs Vater!, dachte Josie erschrocken.
An dieser Stelle meldete sich ein grün bemützter Zwerg zu Wort. Seine Augen funkelten böse, als er mit seltsam knarzender Stimme loslegte:
»Dem Boggel kann nur recht ich geben! Es schert doch heute kaum noch einen, ob wir in Raths und Dolmen leben. Dass Rath Doire ein Sitz der Kleinen, war indes immer
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