Das Vermächtnis der Feuerelfen
kann es nicht, weil ich ihm mit dem Salz die Fähigkeit dazu genommen habe. Die Wirkung wird etwa bis zum Morgengrauen anhalten und dann …«
»Dann warten wir, bis die Sonne aufgeht«, schlug Caiwen vor. »Wenn es sich verwandelt, sehen wir, dass du recht hattest.«
»Wenn es sich verwandelt, ist es weg!« Finearfin keuchte vor Anstrengung. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Heylon und Caiwen so uneinsichtig und dickköpfig sein würden, und ärgerte sich, weil sie das Baumhörnchen nicht sofort getötet hatte. »Sobald die Wirkung nachlässt, wird es sich in eine Fliege oder ein anderes Insekt verwandeln. Es wird uns entwischen und Melrem zu uns führen - bei den Göttern, versteht ihr das denn nicht?«
»Doch«, lenkte Caiwen ein. »Aber ich kenne Heylon und weiß, wie hoch er jedes einzelne Leben schätzt. Ich kann euch beide verstehen.« Sie überlegte kurz und sagte dann: »Wie wäre es, wenn wir abwarten? Solange das Baumhörnchen bei uns ist, kann es uns nicht verraten. Und wenn es sich bis zum Abend nicht verwandeln
kann, können wir die Zeit nutzen, um uns einen Vorsprung zu verschaffen. Wenn es dann die Gestalt wechselt …«
»… wird es zu spät sein.« Finearfin schüttelte den Kopf.
»Also, ich bin dafür!« Heylon schenkte Caiwen ein Lächeln. »Ich werde solange auf das Baumhörnchen achtgeben.«
»Damit du es heimlich freilassen kannst?«, rief Finearfin aus. »Wenn ihr diese miese Kreatur unbedingt am Leben lassen wollt, dann nur, wenn ich ein Auge auf sie habe. Das Wechselwesen bleibt bei mir.«
»Damit du es klammheimlich tötest?« Heylons Wangen färbten sich rot vor Zorn. »Das kommt nicht infrage.«
»Ich nehme es!« Caiwen griff nach dem Netz. »Ich habe weder vor, es freizulassen, noch werde ich ihm ein Leid antun, solange nicht sicher ist, dass es uns getäuscht hat.« Sie schaute erst Finearfin und dann Heylon an. »Na, was ist?«
»Also gut.« Finearfin seufzte und gab das Netz frei. »Dieser Streit hält uns nur unnötig auf. Aber lass es nicht aus den Augen, hörst du? Sobald du auch nur eine winzige Veränderung bemerkst, sag mir Bescheid.«
»Das verspreche ich.« Caiwen nickte ernst und wandte sich an Heylon. »Und was ist mit dir?«
»Ich vertraue dir.« Heylon nickte und löste die Hand von dem Netz. »Pass gut auf es auf.«
»Das werde ich.« Caiwen nahm das Netz an sich, hielt es in Augenhöhe und sagte: »Ich bin gespannt, wer von euch beiden recht behält.«
»Dann schlage ich vor, dass du ab jetzt die Wache übernimmst«, sagte Finearfin. »Ich habe in der vergangenen Nacht kaum geschlafen und müsste mich dringend etwas ausruhen.«
»Einverstanden.« Caiwen war hellwach. »Was muss ich tun?«
»Von hier hast du den besten Überblick.« Finearfin zeigte Caiwen die Stelle, an der sie bis vor Kurzem Wache gehalten hatte. »Ich glaube zwar nicht, dass wir heute Nacht Besuch von weiteren
Anderweltwesen bekommen werden, aber man kann nie wissen. Bleib wachsam.«
»Und was ist mit Melrems Leuten?«, wollte Caiwen wissen.
»Um die musst du dir keine Sorgen machen«, erklärte Finearfin mit einem Lächeln. »Bis auf das Wechselwesen habe ich noch keine Anzeichen dafür gefunden, dass sie uns verfolgen. Und selbst wenn. Wir haben einen beachtlichen Vorsprung und auch die stärksten Männer müssen irgendwann einmal schlafen.«
»Klingt beruhigend.« Caiwen nickte.
»Das soll es auch.« Finearfin legte Caiwen in einer freundschaftlichen Geste die Hand auf die Schulter. »Trotzdem musst du aufmerksam sein. Die Nacht ist lang.«
»Das bereitet mir keine Schwierigkeiten«, sagte Caiwen leichthin. »Auf dem Riff bin ich so manche Nacht ohne Schlaf ausgekommen.«
»Klingt beruhigend.« Finearfin schmunzelte, als sie Caiwens Worte wiederholte. Dann wandte sie sich um, ging zum Feuer und legte sich zum Schlafen nieder. Caiwen wickelte sich ihre Decke fest um die Schultern und machte sich bereit für die erste Nachtwache ihres Lebens.
Die Schlaufe des Netzes, in dem das gefangene Baumhörnchen kauerte, hatte sie sich so um das Handgelenk geschlungen, dass sie auch die kleinste Regung des Tieres spüren konnte. Ein rascher Blick verriet ihr jedoch, dass sich das Baumhörnchen offenbar mit der misslichen Lage abgefunden und schlafen gelegt hatte. Es sah wirklich ganz so aus, als würde es eine ruhige Nacht werden.
Caiwen gähnte und lehnte sich mit dem Rücken an den Baum. Sie zog die Knie eng an den Körper und die frostige Nachtluft durch die Nase ein und horchte
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