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Das Vermächtnis der Feuerelfen

Das Vermächtnis der Feuerelfen

Titel: Das Vermächtnis der Feuerelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Schiffbrüchigen nicht warnte, so lange würde sie weiter leiden und sich mit jedem Sturm ein wenig mehr für die Untätigkeit hassen, die sie mitschuldig machte am grausamen Schicksal dieser Menschen.
    Vom ersten Tag an, da sie erfahren hatte, was es bedeutete, wenn die Männer auf die Suche gingen, hatte sie tiefes Mitleid für die Gestrandeten empfunden. Damals war sie noch ein kleines Mädchen gewesen. Ihre Gabe, die Gefühle anderer zu spüren, war gerade erst erwacht. Oft hatte sie nach einem Sturm gezittert und geweint, als würde auch sie Todesängste ausstehen, unfähig, sich vor dem Grauen zu schützen, das wie ein Dämon über sie herfiel, wenn die Männer am Strand Mar-Undrum opferten. Verrina hatte damals geglaubt, sie würde sich um ihren Vater sorgen, und sie tröstend in die Arme genommen, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Den wahren Grund hatte Verrina nie erfahren.
    Als sie älter wurde, hatte Caiwen begriffen, dass außer Heylon niemand auf dem Riff fühlte und dachte wie sie. Um nicht noch mehr zur Außenseiterin zu werden, hatte sie niemanden in ihr Herz blicken lassen und stumm gelitten. Im Verlauf der Winter hatte sie gelernt, ihren Geist wenigstens teilweise vor den zerstörerischern Kräften zu schützen, die in solchen Momenten auf sie einstürmten.
    Aber Caiwen wusste auch, dass sie dem ungeheuren Druck nicht mehr lange würde standhalten können. Schon jetzt war das
Gefühl der Schuld für sie kaum noch zu ertragen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie ihrer inneren Stimme folgen und versuchen würde, den Menschen am Strand zu helfen - auch wenn sie sich damit des schlimmsten Vergehens schuldig machte, dessen ein Riffbewohner angeklagt werden konnte. Selbst die Angst vor der Strafe, der lebenslangen Verbannung auf eine der kargen Nachbarinseln, dessen war sie gewiss, würde sie irgendwann nicht mehr davon abhalten, das zu tun, was sie für richtig hielt.
    Diese und andere Gedanken gingen Caiwen durch den Kopf, während sie in ihrem Bett lag und darauf wartete, dass die Suche vorüber war. Ihre Hoffnung, dass die Männer den Strand leer vorfinden würden, erfüllte sich nicht. Obwohl sie sich innerlich gewappnet hatte, spürte sie, dass diesmal sechs Schiffbrüchige ihr Leben hatten lassen müssen, damit das kleine Volk vom Riff auch weiterhin unbehelligt blieb.
    Ich hätte sie retten können. Caiwen spürte, wie ihr bei dem Gedanken die Tränen kamen. Aus Trauer und Scham, aber auch Wut über ihre Feigheit. Damit Verrina es nicht hörte, vergrub sie ihr Gesicht in dem weichen Kissen aus Felstölpeldaunen und ließ den Tränen freien Lauf.
    Als sie sich so weit gefasst hatte, dass sie es wagte aufzustehen, hatte sich die Sonne schon über den Horizont geschoben. Das goldene Licht war warm und heiter, konnte Caiwens düstere Gedanken aber nicht vertreiben. An diesem Morgen hasste sie sich mehr als jemals zuvor. So sehr, dass sie den Anblick ihres Spiegelbilds in der Waschschüssel nicht ertragen konnte.
    »Verschwinde!«, schrie sie und schlug mit der Hand nach dem von wirrem blondem Haar umrahmten Gesicht, das ihr aus dem Wasser entgegenblickte.
    »Caiwen!« Verrina trat aus ihrer Schlafkammer und rieb sich müde über die Augen. »Was ist denn los? Hast du schlecht geschlafen?«
    »Der Sturm hat mich wach gehalten.« Caiwen wischte die Tränen
fort, beendete die morgendliche Reinigung und schlüpfte in ihre Sachen. Sie wollte die Hütte verlassen haben, ehe ihr Vater zurückkehrte, um sich auf keinen Fall die naive Freude ihrer Mutter über die »Schätze«, die Mar-Undrum ihnen diesmal hatte zukommen lassen, anhören zu müssen.
    »Ich gehe zu Armide«, sagte sie knapp und warf sich den wärmenden Mantel über. »Sie wartet sicher schon.«
    »Hast du etwas gegessen?«, fragte Verrina besorgt.
    »Ich werde schon nicht verhungern.« Caiwen griff nach der Türklinke. Sie war gereizt und spürte, dass sie sich mit ihrer Mutter streiten würde, wenn sie noch länger in der Hütte blieb. Mit den Worten »Ich bin heute Abend zurück« zog sie die Tür hinter sich ins Schloss und wählte einen Weg, der sie in einem weiten Bogen um die anderen Hütten herumführte, damit sie den heimkehrenden Männern nicht begegnete.
     
    Diesmal war es Heylon, der sie auf halbem Weg abfing.
    Caiwen hätte auch ohne ihre feinen Sinne gespürt, wie aufgeregt er war. Seine Wangen waren gerötet, sein Haar zerzaust und sein Atem ging keuchend, als sei er gelaufen, um sie noch rechtzeitig zu erreichen. »Caiwen!

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