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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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Hoffnungsschimmer glomm in ihm auf.
    Der Mönch erwartete Ferruccio, Gua Li, Osman und Zebeide an seinem Schreibtisch sitzend, der so leer wie das ganze Zimmer war. Savonarolas nackte Füße waren vor Kälte rot angelaufen, doch der Mönch zitterte nicht. Er erhob sich auch nicht, um Ferruccio zu umarmen, so wie er es früher stets getan hatte. Stattdessen fragte er seine Leute leise, wer der andere Mann und die Frau seien, die mit Ferruccio und der Magd mitgekommen seien. Ferruccio verstand.
    »Keiner von beiden ist ein Christ«, sagte er, an Savonarola gewandt. »Der Mann ist ein Sohn des Islam, und die Frau überbringt eine Botschaft der Liebe, die Ihr nur schwerlich verstehen würdet.«
    »Ich sehe, du hast dich nicht verändert, Ferruccio«, antwortete Savonarola kühl. »Doch wo Liebe und Gerechtigkeit herrschen, da ist auch Gott. Lasst uns allein«, sagte er zu den beiden Männern, »und seid gesegnet.«
    Der Mönch wartete, bis die Schritte im Kreuzgang des Klosters verhallt waren. Dann erhob er sich, verschränkte die Hände und ging zu dem einzigen Fenster im Raum, durch das gräuliches Licht ins Zimmer fiel. Als er seine Kapuze zurückschlug, fielen Ferruccio die ergrauten Haare und die ausgeprägte Tonsur auf. Savonarolas hohe Wangenknochen schienen durch seine eingefallenen Wangen noch prominenter, und die Nasenpartie bestand nur noch aus Haut und Knochen.
    »Sie lebt«, sagte der Mönch unvermittelt. »Es geht ihr gut. Und sie ist hier, in Florenz.«
    Ferruccio sackte auf einem Stuhl zusammen und presste seine geballten Fäuste gegen die Stirn. Gua Li streckte einen Arm nach ihm aus, zog ihn jedoch augenblicklich zurück, als sie Osmans Blick sah. Beide Gesten entgingen dem Mönch nicht.
    »Habt Dank, Bruder Girolamo«, flüsterte Ferruccio. »Erzählt mir mehr, ich bitte Euch.«
    Der Mönch kam näher und legte Ferruccio seine knochige Hand auf die Schulter.
    »Bist du sicher, dass du es hören willst?«
    »Was meint Ihr?« Ferruccio blickte zu ihm hoch. »Ihr habt gesagt, dass es ihr gut gehe.«
    »Genau aus diesem Grund. Leonora hat sich beruhigt – mittlerweile zumindest –, und sie ist eine starke Frau. Zu stark – denn manchmal weiß sie nicht, wo ihr Platz ist. Aber was erzähle ich dir? Du kennst sie selbst ja am besten. Nach alledem, was sie erlebt und durchgemacht hat, konnte sie aber trotzdem ihren Frieden und ihre Ruhe wiederfinden. Wenn du ihr jetzt gegenüberträtest, könntest du sie betrüben oder ihr sogar Schaden zufügen. Halte inne und betrachte dich selbst im Spiegel deiner Seele.«
    »Ich … verstehe nicht.«
    Doch, er verstand sehr wohl, und es schmerzte ihn, sich eingestehen zu müssen, dass er den Schwur durch einen Akt des freien Willens gebrochen hatte und dass zwar ein Dunst die Erinnerung daran vernebelte, dass er jedoch niemals ausreichen würde, um die Erinnerung daran vollkommen auszulöschen. Der Mönch hatte ihn durchschaut. Er hatte die Türen zu seiner Seele aufgestoßen und seine Zweifel bloßgelegt. Es ging nicht darum, zwischen Gua Li und Leonora zu wählen, sondern darum herauszufinden, ob er derjenigen Frau, für die er sich entscheiden würde, treu sein könnte.
    »Ihr seid schrecklich, Bruder Girolamo. Und ich verstehe diejenigen, die Euch rein im Geiste nennen und Euch dafür hassen.« Erneut blickte er zu ihm auf. »Ihr nehmt dem Gewissen seinen Schleier, hinter dem es sich zu verbergen sucht, und bringt den Frevler um seinen Schlaf. Auch Giovanni Pico tat das. Erinnert Ihr Euch? Er salbte das geschundene Gewissen jedoch mit Öl, Ihr hingegen mit Essig. Vielleicht ist dies ja der Unterschied zwischen einem Gerechten und einem Heiligen.«
    Savonarola verschränkte die Arme vor der Brust und legte seine Hände um die Ellbogen.
    »Nun?«
    »Ich will sie sehen, und wenn es das Letzte wäre, was mir auf Erden vergönnt ist.«
    »So sei es«, sagte der Mönch und läutete eine Glocke.
    Ein junger Mönch betrat den Raum und bedeutete Ferruccio, ihm zu folgen. An seiner Seite war eine Frau, um Zebeide in Empfang zu nehmen. Osman starrte mit gebeugtem Haupt auf sein verkrüppeltes Bein, während Gua Li ruhig und vollkommen wortlos den Blicken des Mönchs standhielt. Lange hielten sie stumme Zwiesprache, bis ein vorsichtiges Klopfen ihren Dialog unterbrach. Schüchtern betrat ein Novize das Zimmer, um einen Kerzenleuchter zu bringen und die Kerzen zu entzünden. Dann huschte er wieder fort. Gua Li nahm an Savonarola einen vagen Duft nach getrockneten

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