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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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wenig Wein.
    »Du bist aber nicht hier, um dich von mir bewirten zu lassen, nehme ich an«, lächelte Benivieni.
    »Das ist wahr. Ich schwöre dir bei meiner Ehre – ich würde dich niemals um diesen Gefallen bitten, wenn ich mich nicht dazu gezwungen sähe.« Ferruccio hielt sich die Hand aufs Herz.
    »Ich erinnere mich an dein Ehrgefühl. Mirandola vertraute darauf, und gemeinsam befreitet ihr mich aus dem Nona-Kerker.«
    »Die Anschuldigung war infam.«
    »Nicht für mich. Den Gesetzen nach verdiente ich die Anklage und möglicherweise sogar die Verurteilung. Du weißt, wie sehr ich ihn geliebt habe. Und ich hätte mich niemals von den Reizen eines Jünglings verführen lassen sollen.«
    »Ich habe dich nie verurteilt.«
    »Ich weiß. Dann lass mich meine Schuld begleichen.«
    »Du schuldest mir nichts, außer einem Gebet für ihn.«
    Ferruccio holte das wertvolle Werk hervor und übergab es ihm. Die Finger Benivienis glitten langsam über die goldenen Lettern des Buchdeckels.
    »Er zeigte es mir zum ersten Mal im Palazzo Rossi, als wir noch Hoffnung hatten. Das hier ist beides – sein Leben und sein Tod.«
    »Ich habe mir und meinen Nachkommen geschworen, es zu bewahren. Doch die Reise, die ich antreten muss, ist zu gefährlich und mein Ziel nicht sicher genug.«
    »Ich werde es mit meinem Leben schützen, Ferruccio, und es dir übergeben, sobald du wieder da bist. Und sollte ich vor deiner Rückkehr sterben, werde ich es mitnehmen. Den Poeten wird im Leben wenig zugestanden, doch als Tote können sie ihre Werke mitnehmen, denn sie werden ohnehin nie gelesen. Das Buch wird unter meinen Werken sein. Ich habe ein Grab in San Marco gekauft. Und dank meiner guten Beziehungen zu den Dominikanern werden sie es bewachen. Dort, an meinem Grab, werde ich eine Nachricht hinterlassen, die nur wir beide verstehen werden.«
    »Gut. Denn niemand darf davon erfahren.«
    »Wir werden die Feuerkugel nehmen, die bei seiner Geburt erschien, die Sonne. In seiner Göttlichen Komödie beschreibt Alighieri den Lauf der Sonne – wenn es im Spanien des Okzidents zur zwölften Mittagsstunde schlägt, schlägt es an der Antipode im Orient – am Ganges – zur zwölften Stunde in der Nacht. Lies die Göttliche Komödie sorgfältig, dann wirst du in einer Phrase die Worte ›Tejo‹, ›Ganges‹ und ›Antipode‹ finden. Orientiere dich an dem, was dann folgt. Und solltest du mich an dem angegebenen Ort nicht finden, dann wirst du dort zumindest auf die Thesen stoßen.«
    Damit war alles besprochen. Während Ferruccio zum Kloster zurückritt, sah er bereits, was sich zusammenbraute. Abgeschlagene Köpfe am Wegesrand oder aufgespießt auf Lanzen, baumelnde Körper an improvisierten Galgen, Nonnen, die nach den Vergewaltigungen immer noch entblößt auf den Straßen lagen.
    Es war Zeit zu gehen.

50
    März 1498
    Bruder Mariano aus Genazzano wusste, woher der Wind wehte. Durch seinen Bruder war er an Savonarola herangekommen und hatte das Leben dieser Frau gerettet, die für den Dominikaner aus welchen Gründen auch immer so wichtig zu sein schien. Durch seinen Tod hatte Marcello ihn davor bewahrt, dem Medici wegen des Verrats Rechenschaft ablegen zu müssen. Damit war ihrer beider Ungehorsam abgegolten. Und so kannte Mariano einerseits ein Geheimnis, das er als Pfand einsetzen konnte, andererseits war er sich sicher, dass niemand über diese Sache reden würde, außer dieser Leonora, die eigentlich sein Mitleid erregt hatte. Zur rechten Zeit würde er diese Frau aber schon mundtot zu machen wissen.
    Nun war der Moment zum Handeln gekommen; mehr konnte man von Gott nicht verlangen. Mariano war überaus redegewandt, und zufälligerweise kam die päpstliche Drohung genau den Interessen von Kardinal Giovanni de’ Medici entgegen. Das würde ihm helfen, sich eine bessere Zukunft aufzubauen. Die Zuwendungen aus Rom würden ihm ertragreiche Pfründe einbringen – vielleicht ein Kloster oder sogar ein Bistum! Und so begann Bruder Mariano Öl ins Feuer zu gießen, während Florenz die Idee ausbrütete, Savonarola ans Kreuz zu schlagen – dafür, dass er die göttliche Gerechtigkeit über weltliche Interessen stellte.
    Er brauchte sich nicht einmal sonderlich zu bemühen – er fand sehr schnell wohlwollende Seelen, die bereitwillig lauschten, welcher Sünden Savonarola sich schuldig gemacht hatte, und die sich gerne in die Diskussion einbrachten, ob und wie man ihn verurteilen solle. In seinen vehementen Predigten gegen den Dominikaner

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