Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
Erich heran. Er hielt seinen Knüppel fest in beiden Händen und holte weit aus. Der Mann, den Albert gerade angriff, war zu überrascht, und als ihn der Knüppel des Alten am Kopf traf, fiel er wie ein gefällter Baum in den Graben.
Albert und Erich nickten einander zu. Sie standen jetzt auf der Mitte der Brücke, wo sie auf den nächsten Ritter trafen. Gemeinsam hieben sie auf ihren Gegner ein, der es zu ihrem Bedauern sehr wohl verstand, mit zwei Angreifern gleichzeitig fertig zu werden. Trotzdem schafften sie es, den Mann immer weiter zurückzudrängen.
Dann geschah etwas Unvorhergesehenes: Albert musste einen starken Hieb einstecken. Zwar konnte er ihn mit seiner Axt abwehren, dennoch warf er ihn zu Boden. Er überschlug sich und kam erst in einiger Entfernung von seinem Gegner am Rande der Brücke zum Stehen. Von hier aus musste er mit ansehen, wie Erich einen falschen Schritt machte, zu schwungvoll ausholte und den Halt auf der rutschigen Brücke verlor. Er fiel auf den Rücken und büßte seinen Knüppel ein.
In diesem Moment drehte der Ritter sein Schwert mit der Spitze nach unten und fasste es mit beiden Händen am Heft. Die flehenden Augen des alten Müllers ließen ihn kalt. Mit voller Wucht stieß er seine Klinge in den Bauch des Mannes, der nur wenig später begann Blut zu spucken. Erichs Kopf rollte zur Seite. Er war tot.
Albert stockte kurz der Atem, doch es blieb ihm keine Zeit. Stattdessen holte er mit seiner Axt aus und traf den Ritter, der gerade dabei war, sein blutverschmiertes Schwert aus dem Körper des Müllers zu ziehen, am Oberschenkel.
Der Gefolgsmann des Grafen Gerhard knickte ein und brüllte vor Schmerz.
Albert holte erneut aus und hieb dem Ritter die Axt in die Brust, worauf dieser leblos nach hinten fiel. Die Brücke zum Burgturm war nun frei und Albert stürmte hinüber. Hier kämpften drei Ritter mit den letzten zwei Gefolgsleuten Eccards, während die übrigen Ritter des Schauenburgers den Turm ausraubten und die schreiende Magd schändeten. Als Albert hinzukam, fiel einer der beiden letzten überlebenden Wachmänner Eccards. Jetzt waren sie nur noch zu zweit gegen eine Handvoll Gegner.
Wild hieben die Kämpfenden aufeinander ein – zwei Ritter auf den Wachmann und einer auf Albert. Im Gegensatz zu ihm selbst verstand der Wachmann sich auf den Kampf und schaffte es tatsächlich eine Weile, sich gegen beide durchzusetzen; dann aber fiel auch er, nachdem beide Gegner ihm die Schwerter in den Leib bohrten.
Die drei Ritter wandten sich um und blickten ihrem letzten Feind in die Augen. Es wurde plötzlich seltsam still, sodass einem das Knacken des brennenden Holzes übermäßig laut vorkam. Alle Männer atmeten schwer. Sie waren erschöpft, verschwitzt, blutig. Doch vor allem waren sie ohne jeden Skrupel auf ihr nächstes Ziel bedacht.
Albert wurde sich seiner Lage gewahr. Jeder weitere Widerstand war zwecklos. Es gab kein Entkommen mehr für ihn! Der Truchsess ließ seine Axt sinken und schaute die Männer einen nach dem anderen an, deren Schwertspitzen nun alle auf ihn gerichtet waren. Hinter ihm befand sich die Mauer des Burgturms – er konnte nicht mal mehr einen einzigen Schritt zurückweichen. Sein Blick glitt in Richtung des dunklen Waldes, wo er wenigstens Ragnhild in Sicherheit wusste. War das nicht alles, was zählte? Plötzlich war ihm, als stiege der wohlige Geruch ihres Haars in seine Nase. Er sog ihn ein.
In diesem Moment trat Marquardus Scarpenbergh aus dem brennenden Burgturm. Er hob die Hand in Richtung der Ritter, um ihnen Einhalt zu gebieten, und fragte: »Wo ist Eccard Ribe?«
Albert sah den Mann an, von dem er bislang eindeutig mehr gehört als gesehen hatte. Sein finsteres Gesicht bestätigte das Bild des grausamen Plackers in seinem Kopf. »Nicht hier, wie Ihr sicher schon festgestellt habt.«
Marquardus schritt auf Albert zu und blickte ihm in die Augen. »Dein Mut wird dir nichts nützen.« Dann schlug er ihm die kettenbehandschuhte Faust ins Gesicht.
Albert durchfuhr ein schrecklicher Schmerz, als sein Kiefer brach.
»Sprich dein letztes Gebet«, waren die kaltherzigen Worte, die der Ratsmann, Tuchhändler, Truchsess, Ehemann und Vater von vier Kindern noch vernahm, bevor er die Augen schloss und stumm gen Himmel flehte: Herr, beschütze du meine Lieben! Ich komme jetzt zu dir!
Marquardus gab seinen Männern ein Zeichen. Daraufhin bohrten sich die Klingen in seinen Hals, in seinen Bauch und durch sein Herz. Albert von Holdenstede war sofort
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