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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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Thido ab. »Hat Gott in seiner unendlichen Weisheit nicht auch die kalte Luft geschaffen, ebenso wie den Regen und alles andere auf der Welt? Wie könnte es dann schlecht für ein Kind sein?«
    Darauf wusste die Amme nichts mehr zu sagen. Stumm starrte sie auf das eingewickelte Kleinkind, das sie betreute, seitdem der Spielmann und sein Weib auf der Burg Kiel wohnten.
    Runa ließ sie einfach stehen und sagte zu Freyja: »Komm, wir gehen zu Vater.«
    »Nehmt ihr mich mit?«, fragte Margareta mit einem Blick, der etwas Flehendes hatte. Ohne eine Antwort abzuwarten, schloss sie zu ihnen auf und flüsterte: »Ich brauche dringend eine Ruhepause. Reden alle Hofdamen so viel und so schnell? Ich frage mich, wie die Gräfin das den ganzen Tag erträgt.«
    Ein helles Lachen ertönte. »Daran kann ich mich auch nicht gewöhnen. Aber da wo wir jetzt hingehen, wirst du auch keine Ruhe bekommen. Ich bin mir sicher, dass Walther mal wieder die Mägde und Knechte in der Küche mit seinem Flötenspiel unterhält. Und ich sage dir, die sind noch lauter als die Damen der Gräfin.«
    Runa sollte recht behalten. Als sie die Küche betraten, hörten sie ein fröhliches Lied, zu dem einige klatschten und zwei Kinder tanzten. Fast wie im Wirtshaus ging es hier manches Mal zu – natürlich nur dann, wenn die Herrschaft weit genug entfernt war.
    Als Walther seine Familie sah, hörte er zum Verdruss des Gesindes auf zu spielen, und nur wenig später saßen Runa, Margareta und Walther an einem der groben Holztische.
    Der kleine Thido hatte von all dem nichts mitbekommen und schlief friedlich auf Margaretas Arm, die weder von ihm noch von Freyja jemals genug bekam. Das Mädchen rannte wie immer umher. Es war einfach unmöglich, sie lange auf einer Bank zu halten.
    »Was hat euch aus der warmen Kemenate getrieben?«, fragte Walther, während er Thido betrachtete.
    »Wir wollten dich sehen. Des Tages bekommt man dich ja kaum mehr zu Gesicht. Irgendwann wissen deine Kinder nicht mehr, wie du aussiehst, und nennen dich auch Spielmann «, spöttelte Runa mit einem Lächeln.
    Walther nahm schmunzelnd ihre Hand. »So weit wird es nicht kommen, Liebste. Heute Morgen noch hat Freyja mich Vater genannt.« Trotz aller Heiterkeit, er wusste, seine Frau beschwerte sich zu Recht. Wenn nicht das Grafenpaar nach ihm verlangte, so waren es die Männer aus dem Gefolge oder eben das Gesinde. Sie alle schätzten seine Künste, ebenso wie seine bloße Gegenwart. Mehr und mehr Zeit des Tages verbrachte er deshalb ohne Runa und die Kinder, was auch ihm manches Mal nicht gefiel. Dennoch boten sich ihm dadurch auch einmalige Gelegenheiten. Gestern hatte der Graf ihm sogar einen der teuren Falken für die Beizjagd auf den Arm gesetzt und ihm erklärt, wie man mit ihm jagte. Heute jedoch hatte er den Grafen noch gar nicht zu Gesicht bekommen, und Runa gab ihm just die Erklärung.
    »Die Wahrheit ist, Graf Johann kam plötzlich in die Kemenate und schickte alle Hofdamen hinaus. Er wollte mit der Gräfin allein sprechen.«
    »Das klingt ja nach ernsten Angelegenheiten. Hast du eine Ahnung, worum es geht?«
    »Ich habe nur eine Vermutung …« Runa brach im Satz ab und fragte Walther: »Hast du Freyja gesehen?«
    Walther reckte den Hals, um zu schauen, ob sie Unfug trieb, denn seine Tochter krabbelte gerade unter den Tisch. Er wusste, sie liebte es, heimlich die Röcke der Mägde miteinander zu verknoten oder die Füße der Knechte mit Lumpen an die Tischbeine zu binden. Gerade vorgestern war einer von ihnen übel gestürzt. Um Freyja vor schlimmen Bestrafungen zu bewahren, hatte Walther nichts gesagt, doch er hatte sie in der Abgeschiedenheit ihrer Kammer streng getadelt und ihr verboten, am nächsten Tag in den Stall zu gehen.
    »Ich gehe nach ihr sehen«, sagte Walther und verließ den Tisch mit den Frauen, die gleich darauf ein Gespräch anfingen. Walthers Blick heftete sich an jene Stelle unter dem Tisch, wo eben zwei kleine Kinderfüße verschwunden waren. Jetzt schaute ein Kopf heraus, und es reichte ein strenger Blick des Vaters, um Freyja wieder unter dem Tisch hervorzuholen. Schuldbewusst schaute sie ihn an, doch Walther konnte nicht weiter böse dreinschauen und schenkte ihr ein Lächeln. Das Mädchen erwiderte es mit jener wundersam kindlichen Art, die eine so starke Wirkung auf ihn hatte, und warf sich in seinen Arm.
    »Nicht böse sein, Vater. Ich krabbele auch nicht mehr unter den Tisch. Versprochen.«
    Wie fast immer schmolz er auch jetzt wieder dahin. Was

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