Das Vermächtnis von Thrandor - Das Schwert aus dem Feuer
mir lieber Gedanken machen, wie ich mich ihrer erwehren kann. Sie ist eine ziemlich kaltblütige Lügnerin«, fügte er hinzu.
Derra sah erst zu Calvyn, und dann zu Jenna, die sich nach seinen Worten nun wieder vor Lachen krümmte. Die Korporalin verzog das Gesicht und schüttelte ungläubig den Kopf.
»Wenn ihr eure Albernheiten beendet habt, könnten wir vielleicht die Zelte abbauen«, schlug sie nicht zu unfreundlich vor. »Wir werden erst in einer Stunde losziehen, aber ich möchte, dass weit vorher alles gepackt und aufgeladen ist. Wir haben viel zu tun, Soldaten, also haltet euch nicht zu lange mit Witzeleien auf. Trotzdem: Schön zu sehen, dass einige ihre gute Laune behalten.«
Kurze Zeit später, nach dem inzwischen zur Routine gewordenen Zusammenpacken der Ausrüstung und dem Beladen der Wagen, standen Calvyn und Jenna in Reih und Glied mit ihren Kameraden und warteten auf den Befehl zum Weitermarsch Richtung Mantor. Jenna hatte ein paar Freunden das Wesentliche ihrer Unterhaltung wiedergegeben, und diese hatten Calvyn daraufhin so gnadenlos aufgezogen, dass sie einen Anflug von schlechtem Gewissen verspürte. Calvyn duldete, dass sich alle auf seine Kosten amüsierten, und hielt dem Spott nichts entgegen. Also ließ Jenna einige Kommentare fallen, die das Gespräch auf andere Themen brachten.
»Tut mir leid, Calvyn. Ich hätte nicht so darauf herumreiten sollen«, flüsterte sie ihm zu.
»Kein Problem«, erwiderte er gutmütig. »Die Offiziere sagen doch immer: Wer keinen Spaß versteht, wäre besser
nicht Soldat geworden. Außerdem war es doch lustig und die anderen hatten endlich mal wieder was zu lachen.«
»Ja, Spaß verstehen ist das Eine, aber du kannst doch nicht zulassen, dass die ganze Horde über dich herfällt! Wenn man mit dir allein ist, kann man die schönsten Sticheleien austauschen, Calvyn, aber wenn sich mehrere über dich lustig machen, verstummst du und nimmst es einfach hin. Tu das nicht. Lass dir eins raten: Schluck nicht so viel runter. Schlag zurück, und zwar schnell und hart. Hol ruhig ordentlich aus, damit sie von dir ablassen. Sonst wirst du zur leichten Beute, und wenn du zulässt, dass zu viele Witze auf deine Kosten gemacht werden, ohne dich zu wehren, verlieren die anderen den Respekt vor dir. Das hast du nicht verdient, also gib ihnen keine Gelegenheit dazu.«
»Gut, Mama«, sagte er unterwürfig, aber mit einem Funkeln in den Augen, das Jenna kichern ließ.
»Ich mein das ernst, du Idiot!«, rief sie lachend.
»Ich weiß, und du hast auch vollkommen recht. Von nun an werde ich boshaft und gemein sein«, antwortete Calvyn, wobei er die letzten Worte im tiefen Bass grummelte.
»Nie im Leben!«, sagte Jenna und schüttelte ungläubig den Kopf. »Warum müssen meine Freunde nur so kompliziert sein?«
Bevor Calvyn sich eine schlagfertige Antwort zurechtlegen konnte, ließ Sergeant Brett den Trupp strammstehen und innerhalb von Sekunden wurde der Marsch fortgesetzt.
16
Nachdem die Truppen Levansbrück verlassen hatten, baute sich eine nervöse Anspannung auf. Einen Tag, nachdem sie aus der Stadt am Fluss abgezogen waren, stieß eine große Schwadron aus Lord Valdeers Heer zu ihnen, die zudem die Kunde brachte, dass ihnen weitere fünfhundert Fußsoldaten folgen würden, die noch einen halben Tagesmarsch entfernt seien. Nach einer kurzen Rast, während der die Anführer berieten, ob man auf sie warten solle, setzten die Truppen ihren Weg fort.
Am Abend teilte Korporalin Derra ihren Soldaten das wenige mit, was sie wusste.
»Der Baron und die anderen Heeresführer sind der Ansicht, dass wir so schnell wie möglich in Mantor eintreffen müssen, wenn wir noch etwas ausrichten wollen. Wir können keine Verzögerung dulden. Wir werden ab Morgengrauen bis zur Einbruch der Nacht marschieren und nur haltmachen, um die Maultiere rasten zu lassen und zu verhindern, dass ihr uns alle umkippt. Wenn wir das Tempo derart vorantreiben, besteht große Gefahr, dass ihr austrocknet, also achtet bloß alle darauf, dass ihr Wasser trinkt, bis es euch zu den Ohren wieder herauskommt, und füllt eure Feldflaschen bei jeder Gelegenheit. Wenn wir uns Mantor nähern, werden wir den Versorgungswagen aller Wahrscheinlichkeit nach weit hinter uns lassen, also esst, was ihr könnt und wann ihr könnt. Ab jetzt wird kein Essen mehr abgelehnt, Leute. Ihr wisst nicht, wann ihr das nächste Mal etwas zwischen die Zähne bekommt.«
»Gibt es Nachricht aus Fallowsford, Korporalin?«, fragte einer
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