Das Vermächtnis von Thrandor - Das Schwert aus dem Feuer
Notizbuch aus der Innentasche seiner Tunika und schlug es auf. Die Seiten waren mit magischen Runenzeichen bedeckt. Calvyn ließ den Blick darüberschweifen und erkannte, dass es sich um einen Schutzzauber handelte. Wogegen der Schutz wirken sollte, konnte er nicht ausmachen, aber die Runen waren auf jeden Fall so angeordnet, dass sie eine Art Abwehr oder Barriere formten.
»Tut mir leid, Herr, aber damit kann ich nicht dienen«, sagte Calvyn und versuchte, einen möglichst unschuldigen und leicht dämlichen Gesichtsausdruck aufzusetzen. »Die einzigen Bücher, die ich zum Verkauf anbiete, sind diese drei hier, und die sind in der Gemeinsprache geschrieben. Ein Buch wie das Eure habe ich noch nie gesehen. Was ist das für eine Sprache? Schreibt man so in Shandar?«
»Nicht ganz«, antwortete der Fremde und musterte Calvyn aufmerksam. Er schien unsicher, was er als Nächstes sagen sollte. Dann steckte er das Notizbuch zurück in seine Tunika und nahm eines der drei Bücher in die Hand, auf die Calvyn gedeutet hatte. Er blätterte durch ein paar Seiten und schüttelte den Kopf. »Nein. Das ist nicht, wonach ich suche, aber wenn Ihr auf irgendetwas stoßt, das so aussieht wie mein Buch, dann, bitte, verkauft es nicht, bevor ich Euch nicht ein Angebot unterbreiten kann. Ich
werde Euch ganz bestimmt einen guten Preis dafür zahlen.«
»Und wie finde ich Euch, Herr, wenn mir ein solches Buch in die Hände fallen sollte?«
»Wir sehen uns wieder, junger Freund. Keine Angst. Wir sehen uns wieder.«
»Na, Selkor, hast du etwas Günstiges erstehen können?«
Der dunkle, schmale Fremde wandte sich um und traf auf Perdimonn, dessen Gesicht so kalt und hart war, wie Calvyn es bei dem alten Mann noch nie gesehen hatte.
»Sicherlich, großer Perdimonn« erwiderte Selkor mit einer leichten Verbeugung. »Der Junge verschenkt die Sachen ja fast. Doch ich habe eigentlich keine Verwendung für die angebotenen Dinge, und Euer junger Schüler hier würde doch nicht absichtlich etwas verbergen, was ich womöglich zu kaufen wünschte. Übrigens ist sein Sinn für das geschriebene Wort recht ausgeprägt, aber ich habe noch immer gefunden, dass der eigentliche Beweis in der Praxis erbracht wird. Wie ich sehe, hast du seine akademische Bildung nicht vernachlässigt. Das ist gut. Aber mal ehrlich, Perdimonn, ›Der Friedensvertrag von Kortag‹ – ist das denn das Richtige?«
Selkor war die ganze Zeit über unmerklich vor Perdimonn zurückgewichen. Der alte Mann konzentrierte sich immer noch darauf, den Jüngeren anzustarren, und es war offensichtlich, dass er als Sieger aus diesem Duell der Blicke hervorgehen würde. Als Perdimonn zu einer verächtlichen Entgegnung ausholte, war seine Stimme keinen Deut lauter als sonst.
»Du hast nie einen Sinn für das wahre Lernen besessen, Selkor. Das Einzige, nach dem du verlangt hast, war Wissen, von dem du glaubtest, dass es deine Macht vergrößern würde. Ich finde ganz erstaunlich, dass du es immer noch
nicht geschafft hast, dich selbst zu zerstören, aber ich gehe dir gerne zur Hand, falls du dumm genug sein solltest, dich noch länger hier aufzuhalten.«
Perdimonn hob leicht den Arm, und Selkor zuckte merklich zusammen. Die Farbe wich aus seinem Gesicht, als er die todernste Miene des alten Mannes sah.
»Das würdest du nicht wagen!«, keuchte Selkor. Dann riss er sich zusammen und fuhr mit mehr Überzeugung fort: »Nein, das würdest du nicht wagen, und schon gar nicht hier. Deine Drohungen sind nichtig. Es ist verboten. Das weißt du genauso gut wie ich, also spar dir die Mühe. Verschwende dein lächerliches Getue an deinen jungen Schüler hier, wenn du willst, aber deine Zeit läuft ab. Meine Macht nimmt täglich zu. Und du wirst immer schwächer, alter Mann. Wenn es so weit ist, werde ich mir von dir nehmen, wonach ich verlange. Es wird kein Entkommen geben.«
»Du wagst es, mir vorzuschreiben, was ich tun und nicht tun kann? Nun, Selkor, deine Fähigkeiten müssen sich ja deutlich gesteigert haben, wenn du glaubst, mir solche Dinge ins Gesicht sagen zu können – auch wenn es in der Öffentlichkeit geschieht, wo du dich sicher fühlst. Aber vielleicht möchtest du deine Haltung noch einmal überdenken?«
Perdimonns sprach mit scharfer, machtvoller Stimme. Calvyn hatte ihn noch nie so reden hören. Er folgte der unerwarteten Auseinandersetzung wie gebannt. Obgleich er ahnte, dass Perdimonn und Selkor offensichtlich langjährige Kontrahenten waren, konnte er sich eigentlich nicht
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