Das Vermächtnis von Thrandor - Der Auserwählte
sicher, dass es dir gut geht, Jenna? Du siehst aus, als hättest du Fieber.«
»Mach dich nur lustig, Fesha. Ich werde jetzt mal eine Stunde oder so laufen und danach geht es mir bestimmt viel besser.«
»Oh, Fesha wird das Lachen schon noch vergehen«, unterbrach sie die raue Stimme von Sergeantin Derra. »Nach dir, Jenna, wird er eine Stunde laufen. Und damit er uns nicht bremst, traben Eloise und ich hinter ihm her und machen ihm Beine.« Sie sah Eloise, die sich köstlich amüsiert hatte, bedeutungsvoll an. Das Lächeln der schwarzhaarigen Gefreiten erstarb, doch sie ergab sich achselzuckend in ihr Schicksal.
Calvyn lachte laut auf und scherzte. »Ach ja, die Wonnen
der Langstreckenläufe bei Sergeantin Derra. Daran erinnere ich mich gut.«
Derra wandte sich zu ihm um und hob fragend die eckigen dunklen Augenbrauen. Doch selbst von ihrem allseits gefürchteten Blick ließ Calvyn sich die Laune nicht verderben, sondern drohte ihr scherzhaft mit dem Finger.
»Auch wenn Ihr das offenbar witzig findet, Sir Calvyn, ich meine es völlig ernst und erwarte auch von Euch diese Auffassung. Darf ich darauf hinweisen, dass die sitzende Tätigkeit in der Magierakademie Spuren um Eure Taille hinterlassen hat, Sir? Ich würde vorschlagen, dass Ihr Euch uns anschließt, damit das Training, das ich Euch habe angedeihen lassen, nicht völlig für die Katz war.«
»Für die Katz!«, rief Calvyn mit gespielter Entrüstung. Er wusste sehr gut, dass er, seit er nach Terilla gegangen war, keine Unze zugenommen hatte. »Ich werde dir schon noch beweisen, dass ich in bester körperlicher Verfassung bin, Sergeantin.«
»Dann wird ein kleiner Lauf dir ja wohl nicht schaden, oder?«, konterte Jenna.
»Ihr habt euch wohl alle gegen mich verschworen, was?«, fragte Calvyn argwöhnisch.
»Wir sorgen uns nur um dein Wohlergehen, Calvyn.« Jenna grinste und sah dann mit einem übertrieben unschuldigen Blick zu Derra hoch. »Ist doch so, Sergeantin?«
»Ganz genau«, erwiderte Derra mit unbewegter Miene.
»Hör nicht auf sie, Sir Calvyn. Die wollen dich nur herumkommandieren. Darauf fällst du doch nicht rein?«, bat Fesha inständig.
Derra durchbohrte Fesha mit ihrem durchdringenden Blick, dem dieser wenig Beachtung schenkte.
»Na ja …«, begann Calvyn unentschlossen. »Ich habe tatsächlich
schon länger nicht mehr trainiert, also würde mir ein kleiner Lauf wohl nicht schaden.«
Derra und Jenna sahen einander befriedigt an.
Fesha dagegen streckte die Arme zur Seite aus und schickte einen verzweifelten Blick gen Himmel. »Ich glaub es nicht!«, rief er und seufzte tief. »Von wegen, höhere Dienstgrade hätten Privilegien. Wenn es so wäre, würde ein Ritter des Reiches ja wohl kaum neben seinem völlig gesunden Pferd herlaufen, nur weil eine Sergeantin es sich in den Kopf gesetzt hat.«
»Unsinn, Fesha«, widersprach Derra ihm. »Sir Calvyn macht das nicht, weil ich es so will. Er läuft, weil es ihm guttut. Stimmt doch, Sir Calvyn?«
Calvyn lachte und zuckte die Schultern. »Natürlich, Sergeantin.«
»Du bist ein Verräter am männlichen Geschlecht, Sir Calvyn«, murrte Fesha, doch seine Augen blitzen vergnügt.
Die Reisenden kamen an diesem Vormittag der Südgrenze Thrandors ein gutes Stück näher. Calvyn erhielt während des Rittes weiteren Unterricht von den Magiern, die sich aber auch nicht beschwerten, als er erklärte, dass er ein Stück zu Fuß nebenherlaufen wolle.
Wenn sie Rast machten, ließ Derra Bek und die anderen abwechselnd zum Schwerttraining antreten, während die Hüter das Essen zubereiteten. Calvyn sah gebannt zu, wie Bek nach einer Trainingseinlage mit einem Schwert gegen Eloise seine Übungsreihen mit zwei Schwertern durchlief. Die Anmut und Genauigkeit seiner Bewegungen war beeindruckend. Die beiden Klingen schienen zu einem Teil seines Körpers zu werden. Obwohl er es langsam hatte angehen lassen, schwitzte Bek bereits, bevor er zu den temporeichen und kraftraubenden Figuren überging.
Als er fertig war, fragte Calvyn seinen Freund: »Wie
kannst du den Bewegungen eines Gegners folgen, der so schnell mit zwei Schwertern hantiert?«
»Das ist reine Übungssache. Mein Ausbilder Hammar war ein hervorragender Lehrer«, erwiderte Bek. »Wenn du dich erst einmal daran gewöhnt hast, dann ist es nicht anders als beim Kampf mit einem Schwert. Du musst natürlich die beiden Schwerter aufeinander abstimmen und das Gleichgewicht halten, aber wenn du den Tanz erst einmal beherrschst, kannst du eine
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