Das Verschwiegene: Roman (German Edition)
keuchend, davon überzeugt, er müsse sterben.
Kurt Mandls Hunde waren genau wie Kurt, Kurts Frau und Kurts Kinder in jeder Hinsicht bewundernswert. Man konnte sie frei laufen lassen, Kurt brauchte nur einmal kurz mit der Zunge zu schnalzen, schon waren sie da, die Hunde, waren sofort neben ihm – folgsam, dünn und stolz.
Es war ein Ding der Unmöglichkeit, Leopold zum Joggen mitzunehmen, er verduftete, sobald man ihn frei laufen ließ, und zerrte und riss an der Leine, wenn er nicht frei laufen durfte. Als Jon ihn einmal zum Joggen mitgenommen hatte, war die Sache gründlich schiefgegangen. Leopold wollte mit Kurt Mandls Hunden spielen und lief den Männern ständig zwischen die Füße, dann riss er aus, und Jon und Kurt Mandl und seine folgsamen Hunde mussten Leopold suchen, anstatt zu joggen, und als Jon versuchte, das Benehmen seines Hundes zu entschuldigen, sagte Kurt Mandl verärgert, er solle die Schuld nicht dem Hund zuschieben, der Hund könne nichts dafür, auf den Besitzer komme es an.
Jon und Leopold streckten sich gleichzeitig. Auch heute würde er nichts schaffen. Er ließ die Finger über die Tastatur laufen, wollte irgendetwas schreiben, aufschreiben, was ihm einfiel, ohne an das Buch zu denken, das schon vor fünf Jahren fertig sein sollte. Jon schrieb:
MISEREN 16.9.2008
1. Ich habe kein Geld und führe ein erbärmliches Leben, werde von meiner Frau finanziert.
2. Ich kann Kurt (meinen einzigen Freund?) nicht ausstehen.
3. Meine Tochter hat der Lehrerin die Haare abgeschnitten, sie kam deswegen in die Zeitung (» Dreizehnjährige greift Lehrerin an «), sie wurde von der Schule verwiesen. Warum?
4. Ich bin ein Dreckskerl, der seine Frau betrügt.
5. Ich habe einen dummen Hund, der wie besessen an der Leine zieht, wenn ich mit ihm Gassi gehe: der tägliche Beweis für fehlende Kontrolle und mangelnden Charakter.
6. Ich treibe keinen Sport und trinke zu viel.
7. Ich bin nicht in der Lage zu schreiben.
8. Mille?
So. Aber es würde noch schlimmer kommen, er spürte, wie sich alles auflöste. Er dachte an Milles Eltern, Amanda und Mikkel, wie sie von Zimmer zu Zimmer gingen und ihre Trauer über den Verlust ihrer Tochter hinausschrien. Vielleicht verhielten sie sich auch ganz anders. Sie wurde jedenfalls nicht gefunden. Sie war weg. Hatte sich im Nebel aufgelöst. Siri und er hatten oft darüber gesprochen, dass sie Amanda und Mikkel schreiben müssten. Um zu sagen, dass sie. Ihnen mitzuteilen, wie sehr sie. Um sie wissen zu lassen, dass. Was konnte man überhaupt in so einem Brief schreiben? Jon führte die Maus zu Punkt vier und zu Punkt acht und drückte auf delete . Siri kontrollierte sein Handy, sie kontrollierte seine Mails, sie machte seine Romandateien auf, einerseits, um nach Anzeichen für andere Frauen zu suchen, andererseits, um zu kontrollieren, ob er auch wirklich schrieb. Ob ein Buch im Entstehen war. Sie sprachen nicht darüber, und er hielt sie nicht davon ab.
Manchmal konnte er nur schreiben, weil er wusste, dass sie es lesen würde. Er schrieb für sie . Und er würde nie zulassen, dass sie von den anderen Frauen erfuhr.
Er löschte die gesamte Liste und verfasste eine neue, eine, die Siri lesen konnte.
HERAUSFORDERUNGEN 16.9.2008
1. Alma der Schule verwiesen, weil sie der Lehrerin die Haare abgeschnitten hat. Warum hat sie das getan? Wie gehen wir damit um? Wie können wir ihr helfen? Wie können wir sie erreichen?
2. Ich treibe keinen Sport und trinke zu viel. (Einen Plan erstellen!)
3. Ich kann nicht schreiben. Lösung: Im Verlag anrufen, mit Gerda das weitere Vorgehen abstimmen, jeden Tag drei Seiten schreiben (Disziplin ist alles!), in ca. drei Monaten, um die Weihnachtszeit, die nächsten hundert Seiten abliefern. Einen weiteren Vorschuss erbitten???
4. Milles Eltern einen Brief schreiben.
Es gab Dinge, über die er niemals schrieb, die in Worte zu fassen zu gefährlich wäre und die sich vielleicht nicht einfach löschen ließen, indem man auf delete drückte. Er wusste in etwa, wann Mille das Fest verlassen hatte, er hatte es selbst verlassen und mit ihr gesimst, hatte sie aber nicht gesehen, während er draußen unterwegs war.
Jenny und Alma waren nach einer ausgelassenen Fahrt über die umliegenden Straßen nach Mailund zurückgekehrt, als die Gäste bereits schlappmachten. Jon und Siri waren außer sich vor Wut. Wie konnte Jenny im besoffenen Zustand mit Alma durch die Gegend fahren? Wie konnte sie nur? Aber das Fest war noch nicht zu Ende, und Jenny
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