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Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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habhaft geworden war, war eine offene Frage, die ich später beantworten würde.
    Oder: Eine Frau mit einem Neugeborenen will es zur Adoption freigeben, und Imogen willigt ein, das Baby zu nehmen.
    Daran wäre aber doch nichts Schlimmes, woher kam dann also für Mr Woodruff die Demütigung?
    Im Krankenhaus: Imogens Baby ist ein Abgang (»abgehen« muss demnach heißen tot geboren werden), sie wollen es Imogen aber nicht sagen , weil die sonst hysterisch würde. Also bezahlt Mr Woodruff einer Krankenschwester einen Haufen Geld, bloß damit die Imogen ein Baby aus dieser ganzen Reihe von Babys zeigt, die man immer sieht, wenn Väter von außen an die Scheibe klopfen. Die Krankenschwester sagt zu Imogen, es sei ihr Baby, sie könne es aber bloß ein Weilchen halten, weil es schwach oder untergewichtig sei oder sonst was. Das verschafft Mr Woodruff immerhin etwas Zeit, um ein verkäufliches Baby aufzutreiben oder ein Waisenbaby (obwohl ich eigentlich nicht kapiere, wie ein Neugeborenes – schon – Waise sein könnte).
    Mr Woodruff und Morris ließen Imogen in dem Glauben, es sei ihr Baby, bis Fay vier Monate alt ist, etwas Schreckliches, etwas Tragisches passiert und Morris und Mr Woodruff gezwungen sind, sich was einfallen zu lassen, und auf den Plan mit der Entführung verfallen.
    Was aber hatte passieren können, das sie dazu zwang, eine Entführung zu inszenieren?
    Die Sache war die, und mir war das sehr wichtig: Fay konnte nicht tot sein. Sie musste noch am Leben sein. Oder aber es lief jemand in der Gegend herum, der genauso aussah wie Rose Devereau Queen und Morris Slade.
    Ich stöberte in meiner Whitman’s-Bonbonschachtel nach dem Foto von Rose Queen und dem von Morris Slade. Ich stellte sie nebeneinander. Wie ein Ei dem anderen! Ich hatte herausgekriegt, dass sie als Halbgeschwister miteinander verwandt waren und dass Roses Mutter, eine ehemalige Souder, nachdem sie mit einem Slade verheiratet gewesen war, den alten Mr Devereau geheiratet hatte.
    Rose war von ihrer Tochter Fern ermordet worden, und später war Fern von der verrückten Isabel Devereau ermordet worden. Ich hielt mir mit beiden Händen den Kopf. Was für eine grauenhafte Familiengeschichte! Fast so schlimm wie unsere, obwohl in der niemand ermordet worden war. Noch nicht.
    In dem Moment beschloss der Hotelkater, sich durch die Öffnung in der Tür zu zwängen, die nie richtig zuging, außer man drückte fest oder zog daran. Der Kater war grau und hatte ein dichtes Fell, es war also schwer zu sagen, ob er dick oder dünn war.
    Er sprang auf die Bank hoch, offenbar ohne einen Muskel zu bewegen. Man hätte auch sagen können, er dachte sich auf die Bank hoch. Katzen waren wie Zauberer, sie konnten frei schweben, sich in der Luft halten, still verharren.
    Der Kater saß da und wusch sich, als hätte der Sprung sein Fell umgewirbelt. Er setzte seine Waschung fort, leckte die Pfote und rieb sich dann damit übers Gesicht. Dann hielt er plötzlich inne, schaute mir direkt in die Augen und blinzelte ein paarmal bedächtig. Vielleicht hatte er mich verloren und versuchte, mich nun herbeizublinzeln.
    So wie ich versuchte, das Baby herbeizublinzeln.

22. KAPITEL
    Am nächsten Morgen wachte ich auf, überlegte es mir dann noch mal anders und klemmte mir ein Kissen über den Kopf.
    Ich musste unbedingt mit jemandem reden, der etwas unternehmen konnte, zum Beispiel mit dem Sheriff. Oder mit jemandem, der gesunden Menschenverstand besaß, zum Beispiel Dwayne.
    Vielleicht aber auch mit jemandem, der einen Fuß in beiden Welten hatte, der realen und der, die es da draußen wohl auch noch gab, zum Beispiel mit Mrs Louderback.
    Auf was ich getrost verzichten konnte: das Frühstück auf einem Tablett zur großen Garage hinüberzutragen.
    »Wieso soll ich die bedienen? Wieso kommen die nicht in die Küche wie alle anderen auch?«
    Verbissen formte meine Mutter die Parker-House-Brötchen. »Weil sie’s nicht machen. Du kennst sie doch.«
    »Dann lass sie verhungern.«
    »Das würden die glatt machen.«
    Ich schäumte. »Und wo ist Ralph Diggs? So was sollte eigentlich der machen. Ein Tablett wird er ja wohl noch tragen können.«
    »Der fährt mit Mrs Davidow gerade nach Alta Vista.«
    »Es ist noch nicht mal neun. Der Schnapsladen hat dort doch noch gar nicht geöffnet. Da fahren die ja natürlich hin.«
    »Bis sie dort sind, hat er geöffnet.«
    Plopp!, landete wieder so ein kleines zusammengeklapptes Brötchen auf dem dünnen Backblech. Sie sahen aus wie zwei

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