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Das Versprechen

Das Versprechen

Titel: Das Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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inzwischen über dieses Grauen erhoben, denn er dachte kein einziges Mal daran, umzukehren. Nun ja, vielleicht einmal, gestand er sich ein. Oder sogar zweimal.
    Eine Zeit lang lief er recht schnell, nahm seinen Weg über Unebenheiten, sprang über kreuz und quer verlaufende Gräben und stolperte durch das Wirrwarr des dichten Waldes. Er kämpfte sich durch einen letzten Hain, wurde langsamer und blieb stehen, wartete ein bisschen und trat dann hinaus aufs Feld. Schon von weitem sah er sein Ziel: den Brunnen.
    Noch einmal atmete er tief durch, drückte seinen Teddy fester und stieg mutig den Hang hinauf. Aber Oz war kein Narr, also flüsterte er, nur für alle Fälle: »Es ist ein Wunschbrunnen, kein verwunschener. Es ist ein Wunschbrunnen, kein verwunschener.«
    Er blieb stehen und starrte auf das Ungetüm aus Ziegeln und Mörtel, dann spuckte er in eine Hand und rieb sie sich durchs Haar. Das sollte ihm Glück bringen. Dann schaute er lange seinen geliebten Teddybären an, legte ihn vorsichtig auf den Sockel des Brunnens und trat zurück.
    »Mach’s gut, Teddy. Ich hab dich lieb, aber ich muss dich weggeben. Wegen dem Versprechen. Du verstehst das, ja?«
    Dann wusste er nicht so recht, was er jetzt machen sollte. Schließlich bekreuzigte er sich und faltete die Hände wie zum Gebet, in dem Glauben, dies würde sogar die anspruchsvollsten Geister milde stimmen, die kleinen Jungen Wünsche erfüllten, wenn diese ganz fest darum baten. Oz schaute zum Himmel hinauf. »Ich wünsche mir, dass meine Mom wieder wach wird und mich wieder lieb hat«, bat er. Er hielt kurz inne und fügte dann ernst hinzu: »Und Lou auch.«
    So stand er im bitterkalten Wind, während aus Tausenden verborgener Felsspalten seltsame Geräusche ertönten, die alle, da war Oz sicher, ziemlich bösartiger Natur waren. Und trotz allem hatte er keine Angst; er hatte getan, weshalb er hergekommen war.
    Er beschloss sein Gebet mit: »Amen, Jesus!«
    Einen Augenblick, nachdem Oz sich umgedreht hatte und wieder losgerannt war, trat Lou aus dem Wald und schaute ihrem Bruder nach. Sie ging zu dem Brunnen, bückte sich und hob den Bären auf.
    »Oh, Oz, was bist du für ein Dummkopf.« Doch ihr Herz war nicht in diesen Schimpfworten, und ihre Stimme brach. Und ironischerweise kniete jetzt die beinharte Lou und nicht ihr weichherziger kleiner Bruder auf dem feuchten Grund und schluchzte. Schließlich wischte sie sich mit dem Ärmel übers Gesicht, stand auf und wandte sich vom Brunnen ab. Sie drückte Oz’ Teddy fest an ihre Brust und ging davon. Doch irgendetwas ließ sie noch einmal innehalten - was es war, wusste sie nicht genau. Der schneidende Wind schien sie zurückzutreiben zu dem Ding, das Diamond Skinner, der Blödmann, einen Wunschbrunnen genannt hatte. Lou drehte sich um und schaute ihn an, und in dieser Nacht, da der Mond sie völlig im Stich gelassen zu haben schien, schien der Brunnen zu glühen, als stünde er in Flammen.
    Lou verschwendete keine Zeit. Sie setzte den Bären wieder ab, langte in eine Tasche ihres Overalls und zog etwas hervor: das Foto, das sie und ihre Mutter zeigte; es steckte noch in dem Rähmchen. Lou stellte das kostbare Bild direkt neben den Bären, trat zurück, und wie ihr Bruder es ihr vorgemacht hatte, faltete sie die Hände und blickte zum Himmel. Im Gegensatz zu Oz machte sie sich nicht die Mühe, sich zu bekreuzigen oder laut und deutlich zum Brunnen oder zum Himmel über ihr zu sprechen. Ihr Mund bewegte sich, doch waren keine Worte zu hören, so als fehle es ihr noch immer an wahrem Vertrauen in das, was sie tat.
    Als Lou fertig war, eilte sie ihrem Bruder hinterher, achtete aber darauf, stets einen gewissen Abstand zu halten. Oz sollte nicht erfahren, dass sie ihm gefolgt war, wobei sie eigentlich nur auf ihn hatte aufpassen wollen. Hinter ihr blieben Bär und Foto verlassen an den Stein gelehnt zurück wie Opfergaben an einem provisorischen Schrein für die Toten.
    Wie Louisa vorhergesagt hatte, schlossen Lou und Hit irgendwann Waffenstillstand miteinander. Louisa hatte voller Stolz beobachtet, wie Lou sich jedes Mal aufgerappelt hatte, wenn Hit sie niederwarf. Nach jedem Kampf mit dem widerspenstigen Tier zeigte das Mädchen keineswegs größere Angst, sondern wurde im Gegenteil immer entschlossener. Und geschickter. Inzwischen bewegten sich Pflug, Maultier und Lou in einem gemeinsamen Rhythmus.
    Oz dagegen wurde zum Experten für das Fahren des großen Eggeschlittens, den das andere Maultier, Sam, über die

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