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Das Versprechen

Das Versprechen

Titel: Das Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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müssen zurück. Wir haben noch ’ne Menge zu erledigen.«
    Stattdessen glitt das Mädchen vom Pferderücken und überließ es Oz, nach den Zügeln zu greifen, wobei er beinahe vom Reittier gefallen wäre. Zornig schimpfte er hinter seiner Schwester her, aber die schien ihn gar nicht zu hören.
    Lou ging zu einer kleinen Freifläche unter einer immergrünen Eiche und kniete nieder. Die Grabkreuze waren aus rohem Holz, das von der Witterung grau und rissig war. Sie standen offensichtlich schon sehr lange dort. Lou las die Namen der Toten und die Daten ihres Lebens, die tief ins Holz eingeschnitten und wahrscheinlich so deutlich zu erkennen waren wie an dem Tag, an dem man die Kreuze aufgestellt hatte.
    Der erste Name lautete Joshua Cardinal. Aus den Geburtsund Sterbedaten schloss Lou, dass er Louisas Mann gewesen sein musste, Lous und Oz’ Urgroßvater. Er war im Alter von zweiundfünfzig Jahren gestorben - kein besonders langes Leben, dachte Lou. Das zweite Grabkreuz trug einen Namen, den Lou von ihrem Daddy kannte. Jacob Cardinal war der Vater ihres Vaters, ihr Großvater. Als Lou den Namen aussprach, kam Oz zu ihr und kniete sich ins Gras. Schweigend nahm er seinen Strohhut ab. Ihr Großvater war noch jünger gestorben als sein Vater. Ob es an diesem Ort liegt, fragte sich Lou. Dann aber dachte sie daran, wie alt Louisa war, und die Frage wurde bedeutungslos.
    Das dritte Grabkreuz schien das älteste zu sein. Nur ein Name stand darauf, kein Geburts- und kein Todesdatum.
    »Annie Cardinal«, las Lou laut vor. Eine Zeit lang knieten die Geschwister dort und betrachteten die Holzkreuze, welche die sterblichen Überreste von Menschen bezeichneten, die sie nie kennen gelernt hatten. Dann erhob sich Lou, ging zu Sue, packte die buschige Mähne des Pferdes, schwang sich auf seinen Rücken und half Oz hinauf. Auf dem Heimweg sprachen sie kein Wort.
    Beim Abendessen war Lou des Öfteren versucht, ihrer Urgroßmutter Fragen über die Kreuze zu stellen, doch irgendetwas hielt sie immer wieder davon ab. Oz war offensichtlich ebenso neugierig wie seine Schwester, entschied sich aber wie stets, Lous Beispiel zu folgen. Und Lou sagte sich, dass sie noch genügend Zeit haben würden, Antworten auf all ihre Fragen zu bekommen.
    Ehe sie an diesem Abend zu Bett ging, trat Lou hinaus auf die Veranda und blickte zu dem Hügel empor. Obgleich der Mond als helle Sichel am Himmel stand, konnte sie den kleinen Friedhof nicht ausmachen, wusste aber genau, wo er sich befand. Sie hatte sich nie besonders für die Toten interessiert, vor allem nicht, seit sie ihren Vater verloren hatte. Jetzt wusste sie, dass sie schon bald zu dem Friedhof zurücckehren und sich wieder die schlichten Holzbretter ansehen würde, die dort in der Erde steckten und die Namen ihres eigenen Fleisches und Blutes trugen.

 
KAPITEL 26
    Eine Woche später kam Cotton mit Diamond vorbei und verteilte amerikanische Fähnchen an Lou, Oz und Eugene. Außerdem hatte er einen Fünf-Gallonen-Kanister Benzin mitgebracht, das er in den Tank des Hudson füllte. »In den Olds passen wir nicht alle hinein«, erklärte er. »Aber ich habe für Leroy Meekins, der die Esso-Tankstelle betreibt, eine Immobiliensache geregelt. Leroy möchte nicht mit Geld bezahlen, deshalb könnte man sagen, dass ich zurzeit mit Benzin und Öl ziemlich flüssig bin.«
    Zu fünft fuhren sie, wobei Eugene das Lenkrad übernahm, nach Dickens, um sich dort die Parade anzuschauen. Louisa blieb zu Hause, um auf Amanda aufzupassen, und die anderen versprachen, ihr etwas Schönes mitzubringen.
    Sie aßen Hotdogs mit viel Senf und Ketchup, Wolken von Zuckerwatte und tranken so viel Limonade, dass die Kinder alle naselang zur Toilette rennen mussten. Wo immer genügend Platz war, standen Kirmesbuden, und Oz räumte an jeder Wurfbude die Blechbüchsen ab und heimste die Gewinne ein. Lou kaufte für Louisa einen hübschen Hut, den Oz in einer Papiertüte tragen durfte.
    Die Stadt war in den Farben Rot, Weiß und Blau geschmückt, und Einwohner ebenso wie Leute aus den Bergen säumten die Straße, als die Festwagen vorbeirollten. Diese zu Schiffen umgebauten Fahrzeuge wurden von Pferden, Maultieren oder Treckern gezogen und stellten die wichtigsten Geschehnisse in der Geschichte Amerikas dar, die für den größten Teil der eingeborenen Virginier natürlich allesamt in den amerikanischen Gründerstaaten stattgefunden hatten, vor allem in Virginia. Auf einem dieser Wagen stellte eine Kindergruppe die ersten

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