Das Versprechen der Kurtisane
Edward noch drohend vor ihm lag.
Sie suchte seine Hand und wob ihre Finger zwischen seine. »Wenn du mich liebst – wenn du dein Leben mit mir teilen willst – dann solltest du doch wohl dieses Duell aufgeben.«
Er seufzte, und unter ihrem Kopf hob und senkte sich seine Brust. Es war eine jämmerliche Antwort gewesen.
Ja
, hätte sie sagen müssen.
Ich liebe dich. Ich möchte allen Widrigkeiten trotzen, mit dir an meiner Seite.
Stattdessen waren sie dorthin zurückgekehrt, wo sie begonnen hatten. Sie hatte angehört, was er verkündet hatte, und es ohne Umschweife in Munition für ihren unbeirrten Feldzug verwandelt. »Lass uns jetzt schlafen, Lydia.« Er zog sich unter ihr hervor und überließ sie dem sehr viel dürftigerem Komfort ihres Kissens. »Für heute Nacht haben wir ein Patt, würde ich sagen. Lass uns morgen weiterreden. Dann überzeuge ich dich schon davon, mich zu heiraten.«
Doch als der Morgen kam, wollte er sie nicht wecken. Es war eine schrecklich lange Nacht gewesen, allein in Stunden, und das war noch das Geringste.
Er lag auf der Seite, ihr zugewandt. Sie lag auf dem Rücken. Sie wusste es jetzt, und trotzdem war sie da. Ein- oder zweimal blinzelte er, nur um sicherzugehen.
Das war die Frau, die er heiraten würde. Das Leben hatte sie füreinander gemacht. Jeden Morgen würde er zu diesem Anblick aufwachen: die kraftvollen Linien ihrer Nase, ihrer Stirn, ihres Kinns und die weichen, leicht geöffneten Lippen, die ihre furchtbare Miene Lügen straften. Jetzt musste er nur noch sie davon überzeugen, dass es keinen anderen Weg gab.
Na ja, nein. Er hatte noch eine ganze Menge mehr zu tun. Langsam und vorsichtig, um sie nicht zu wecken, drehte er sich auf den Rücken. Dieses kleine Zwischenspiel in einem Zimmer mit rissiger Decke war genau das – eine kurze Überleitung, nur eine Atempause von der Welt, in der sie ihren Weg finden mussten. Er hatte Vorbereitungen zu treffen, Scheitern zu beichten, Leute zu enttäuschen und – Herrgott! – ein verfluchtes Duell zu überstehen. Er konnte genauso gut aufstehen und einfach anfangen.
Als sie nach einer Stunde, in der er sich angezogen und Briefe geschrieben hatte, noch immer nicht aufgewacht war, setzte er sich wieder an den Tisch und verfasste eine weitere Notiz, diesmal an sie. Das Papier wisperte leise, als er es auf das Kopfkissen legte, dorthin, wo er vorher gelegen hatte, ein flüsterndes Versprechen, ein Zeichen all dessen, was er ertragen und opfern würde für ein Leben mit ihr.
Am frühen Nachmittag stand er auf der Schwelle zum ersten Opfer, bei seinem ältesten Bruder im Salon, und blickte ein wenig zu lange in jedes einzelne der dort versammelten Gesichter. So, als bereitete er sich innerlich darauf vor, das nächste Schiff nach Indien zu besteigen. Andrew und seine Frau. Kitty und ihr Mann. Martha und Mr Mirkwood. Nick, allein in einem Sessel, mit derselben aufmerksamen Miene, die er vermutlich im Gericht aufsetzte.
»Raus damit, Will!« Seine älteste Schwester, vorlaut wie immer. »Dass es nichts Gutes sein kann, ist uns schon klar.«
Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken, stellte sich aufrecht vor den Kamin und krümmte und streckte nervös die Zehen in den Stiefeln, wo es keiner sah. »Du hast ganz recht. Ich komme gleich zur Sache. Ich bin in wenigen Tagen zu einem Duell verabredet. Der Anlass wird der Familie nicht zur Ehre gereichen: Ich habe mich mit der Geliebten eines anderen Mannes eingelassen.«
Er hatte sich vorher ausgemalt, wie seine Geschwister jeweils reagieren würden, und im Großen und Ganzen erfüllten sie seine Erwartungen. In Andrews Gesicht zuckte ein Muskel, während seine Hände die Armlehnen des Sessels umklammerten. Nick zog die Augenbrauen in die Höhe, um seinen Augen den nötigen Platz für ein stummes
Hast du den Verstand verloren?
zu geben. Kittys missbilligender Ausdruck wich plötzlich schwesterlicher Besorgnis. Und Martha, aufrecht und ernst, presste die Lippen zusammen.
»Ist es Miss Slaughter?«, fragte sie leise, als seien sie und er ganz allein im Raum.
Er biss sich beinahe auf die Zunge, so unerwartet kam die Frage. »Wie zum Teufel bist du darauf gekommen?«
»Ihr Dienstmädchen kann sich nicht gut verstellen. Wir haben uns ein wenig unterhalten, als ich sie nach Somer’s Town gefahren habe, und sie hat Dinge gesagt, die mich zu der Vermutung gebracht haben, sie könnte womöglich in solchen Umständen leben, wie du jetzt gesagt hast. Aber ich wusste nicht –« Ihr Mund
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