Das Versprechen des Opals
seinen Kneifer hinweg. »Es erstaunt mich immer wieder, wie stoisch manche Frauen sein können.«
Henry starrte ihn an, starr und sprachlos.
»Ich werde dafür sorgen, dass Ihre Frau zurechtgemacht wird, ehe man sie an Land bringt, Mr Beecham. Und machen Sie sich keine Sorgen wegen meiner Rechnung – ich konnte ja nichts tun.«
Henry stand da und hörte, wie die Schritte des Arztes verhallten. Dann flutete das nackte Grauen der letzten Augenblicke über ihn hinweg, und die trostlose Wirklichkeit brach über ihn herein: Maureen war tot. Er fiel auf die Knie und nahm ihre Hand. Sie war schon kalt und leblos. Er streichelte ihr Gesicht, wollte sie nur berühren. Sie hatte ihn verlassen. Hatte ihr Versprechen gebrochen und ihn allein gelassen an den Gestaden dessen, was ihre neue Heimat hatte sein sollen, ihr neues gemeinsames Leben.
Die ersten Tränen strömten ihm über das Gesicht. Er zog sie an sich und hielt sie in den Armen. Dass er nicht gemerkt hatte, wie krank sie gewesen sein musste, erfüllte ihn mit unerträglicher Reue.
»Es tut mir Leid.« Er weinte. »So Leid. Bitte verzeih mir, dass ich nicht gesehen habe, wie du gelitten hast! Dass ich nicht gemerkt habe, wie krank du warst.«
Er wusste nicht, wie lange er da kniete und seine tote Maureen in den Armen hielt. Als eine leichte Berührung an seiner Schulter ihn für einen Augenblick aus dem Dunkel seines Schmerzes zurückholte, schüttelte er sie ab.
»Henry«, sagte Kate sanft. »Henry, du musst sie gehen lassen. Die Leute sind hier, die sie vorbereiten werden, damit man sie an Land bringen kann.«
Er wiegte Maureen in den Armen und küsste ihr Gesicht zum letzten Mal, ehe er sie widerstrebend auf die Matratze sinken ließ. »Leb wohl, mein Liebling, meine mavourneen«, wisperte er in ihre dunklen Locken. »Ich liebe dich. Ich werde dich immer lieben.«
Kate nahm ihn beim Arm und führte ihn weg, den Korridor hinunter in die verlassene Messe. Er ließ sich auf die Bank fallen, legte den Kopf auf die Arme und weinte.
»Ich werde mich zu ihm setzen«, sagte eine barsche Stimme.
Kate blickte auf und sah Paddy Dempster, und dunkle Vorahnungen ließen sie frösteln. »Du bist hier nicht erwünscht«, sagte sie, und ihr scharfer Ton ließ Henry aufschauen.
»Paddy?«, sagte er unter Tränen. »Paddy, sie ist fort. Meine Maureen ist von uns gegangen.«
Paddy warf Kate einen triumphierenden Blick zu, setzte sich neben Henry und legte ihm einen Arm um die Schultern. Kate fühlte sich ausgeschlossen und allein. Auch wenn sie Henry nicht gern verließ, hatte sie doch noch einiges zu erledigen. Sie sah das winzige Baby in ihren Armen an und drehte sich noch einmal zu dem Mann um, der so tief in Trauer versunken war, dass sie ihn nicht mehr erreichte. Sie wickelte das Kind in eine Decke, die sie aus einer anderen Koje zog, und lief dieTreppe hinauf an Deck. Sie musste Peter Reed finden, bevor sie anlegten. Er würde wissen, was zu tun war, wohin man sich wenden musste und wie man Beerdigungen und Quartiere organisierte.
Peter Reed erwies sich als Fels in der Brandung. Ruhig und effizient sorgte er dafür, dass Maureens Leichnam vom Schiff gebracht und mit einer Kutsche zu einem Bestatter am Ort gebracht wurde. Er verschaffte Kate und Henry eine Unterkunft in einem billigen, aber sauberen Hotel am Hafen und bezahlte dafür, dass täglich frische Milch für das Baby geliefert wurde.
»Ich weiß nicht, wie ich Ihnen das jemals vergelten kann«, sagte Kate zwei Tage später. Sie stand auf den Stufen vor dem Hotel. Maureen war am Morgen auf dem winzigen Friedhof zur ewigen Ruhe gebettet worden. Paddy war gottlob nirgends zu sehen.
Fältchen erschienen an den Winkeln seiner grauen Augen und zu beiden Seiten seines Mundes, als er lächelte, und dabei berührte er die breite Krempe seines Hutes. »Du könntest meinen Heiratsantrag noch einmal überdenken«, schlug er vor.
Kate schüttelte den Kopf. »Das wäre nicht richtig«, sagte sie leise. »Wir wissen beide, warum Sie ihn mir gemacht haben, und es würde nicht funktionieren – nicht ohne Liebe.«
Er vergrub die Hände in den Taschen seiner Reithose und zuckte die Achseln. »Den Versuch kann man keinem verdenken«, sagte er in seinem ruhigen Tonfall. »Irgendein Mann wird jedenfalls einen guten Fang mit dir machen, Kate – das steht fest.«
Er stieg auf sein Pferd. Er ist ein guter Mann, dachte Kate. Reich und gut aussehend – und an seiner Wärme und Großzügigkeit war nichts auszusetzen.
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