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Das Versprechen des Opals

Das Versprechen des Opals

Titel: Das Versprechen des Opals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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Vermutlich ließ sie sich da eine goldene Gelegenheit entgehen. Aber sie würde sich selbst und ihm etwas vormachen, sollte sie es sich noch anders überlegen.
    Er legte noch einmal einen Finger an den Hut, ritt davon und verschwand in dem roten Staub, den die Hufe seines Pferdes aufwirbelten.
    Kate kehrte in die kleine Suite zurück, die sie im Obergeschoss des Hotels gemietet hatten. Sie bestand aus zwei Schlafzimmern und einem Wohnraum, voll gestopft mit billigen Möbeln, die jede verfügbare Fläche ausfüllten. An den Fenstern waren Fliegengitter, und auf dem unebenen Boden lagen hausgewebte Teppiche. Eine Glastür führte auf die Veranda hinaus, die sich um den oberen Stock herumzog; dort hatte man zwar bequeme Korbsessel aufgestellt, aber die Fliegen machten einen längeren Aufenthalt unmöglich.
    Die Hitze war nahezu unerträglich, und Kates Kattunkleid klebte feucht an der Haut. Sie öffnete ein Fenster und schloss es rasch wieder. Der heiße Wind wirbelte den Staub von der Straße auf und bedeckte alles mit feinem rotem Puder.
    Kate seufzte tief und wandte sich vom Fenster ab. Nach dem Schock über Maureens Tod fühlte sie sich verlassen, und sie hatte Angst vor der Zukunft. Sie hatte noch nichts von diesem neuen Land gesehen. Ihre Pläne waren zunichte. Peter Reed war zu seinem Besitz gereist, der nach allem, was sie wusste, irgendwo mitten im Nirgendwo lag, und Henry hatte kaum ein Wort mit ihr gesprochen, seit sie an Land waren. Aber es wurde Zeit, dass sie sich über ihre Lage klar wurde. Das Geld ging zu Ende, und sie mussten entscheiden, was sie nun anfangen wollten.
    Das Wimmern des Babys riss sie aus ihren düsteren Gedanken, und sie trat an den Korb, den sie auf einen Stuhl gestellt hatte. Die Kleine schmatzte im Schlaf, und der winzige Daumen steckte im Mund. Kate lächelte. Behutsam nahm sie das Kind aus dem Korb, schmiegte das warme Bündel an ihre Brust und machte sich auf die Suche nach Henry.
    Er lag ausgestreckt auf seinem Bett, das Gesicht geschwollen von Müdigkeit und Tränen. Er hatte sich nicht mehr rasiert, seit sie von Bord gegangen waren, und sein Haar war ungekämmt. Er öffnete die verquollenen Augen. »Lass mich allein«, befahl er. »Siehst du nicht, dass ich trauere?«
    Kate betrachtete das Baby in ihrem Arm. »Ich dachte, du findest vielleicht ein bisschen Trost in eurem Kind«, sagte sie leise.
    »Ich will es nicht sehen.« Er drehte sich um und vergrub das Gesicht im Kopfkissen.
    Kate unterdrückte eine böse Erwiderung. »Sie ist eure Tochter«, sagte sie beharrlich. »Ein Teil von dir und Maureen.«
    Henry richtete sich kerzengerade auf. Seine Augen blitzten wütend. »Nimm es weg«, schrie er sie an. »Wenn es nicht gewesen wäre« – er stieß mit dem Finger nach dem schlafenden Kind –, »dann wäre Maureen jetzt noch da.«
    Kate blieb in der Tür stehen. Henry wandte ihnen den Rücken zu, und das Baby begann zu weinen. Das war nicht der Henry, den sie kannte. Nicht der Mann, der so liebevoll mit seiner Frau umgegangen war, der sich so sehr auf das Kind gefreut hatte. Die Sympathie, die sie für ihn empfand, wurde überrollt von einer Woge der Wut.
    »Das ist nicht wahr!«, rief sie. »Das arme Würmchen hatte nichts mit den Tritten zu tun, die Maureen die Rippen gebrochen haben. Du kannst der Kleinen nicht die Schuld geben an dem, was geschehen ist.«
    »Das kann ich, und das tue ich.« Seine verbitterte Stimme klang gedämpft aus dem Kopfkissen. »Ich will nichts mit ihr zu tun haben.«

SECHS

    M iriam lehnte sich zurück. »Das war ’s«, murmelte sie. »Mein Vater wollte mich nicht.« Sie seufzte und schaute auf ihre Hände. Es sind die Hände einer alten Frau, wurde ihr plötzlich klar. Mager und mit dicken Adern, die Fingerknöchel kräftig von der Plackerei in den Ställen – das alles zeigte unübersehbar, wie viele Jahre seit ihrer unglückseligen Geburt vergangen waren.
    Jakes Stimme riss Miriam aus den Gedanken. »Ich nehme an, er hat sich schuldig gefühlt«, sagte er. »Er hatte von Maureens offenkundigem Leiden keine Notiz genommen. Kein Wunder, dass es mit dem Kerl bergab ging.«
    Sie schaute den jungen Mann an, sah das Verständnis in seinen Augen und begriff, dass sie jemanden vor sich hatte, der möglicherweise Erfahrung mit echtem Leid besaß. Es machte nichts, dass er jünger war, als sie erwartet hatte. Es machte nichts, dass er ganz unerhört mit ihr flirtete und dass er ihr bei ihrem gemeinsamen Geplänkel kein Pardon gab. Sie spürte, dass

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