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Das Versprechen des Opals

Das Versprechen des Opals

Titel: Das Versprechen des Opals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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der Koje her. »Ich kann schon den Kopf sehen. Ein echter irischer Kopf mit schwarzen Löckchen. Noch ein Mal pressen.«
    Maureen war schweißnass und außer Atem, und die Sinne wollten ihr schwinden. Der Schmerz flutete durch den ganzen Körper und ließ auch das Feuer in ihren Rippen wieder auflodern, er brannte sich durch die Lunge und dröhnte im Kopf. Sie nahm die letzten Kräfte zusammen und presste.
    Das Baby glitt aus ihr hervor, und der Schmerz bohrte sich wie ein Messer in ihre Seite und zog sich mit solcher Intensität durch ihre Lunge, dass es ihr die Luft abschnitt. Maureen fiel auf das Kissen zurück und griff nach ihrer Kehle. Ihr Herz pochte, ihre Lunge war leer. Sie konnte nicht schreien, konnte nicht atmen.
    »Was ist denn?« Kates angstvolle Stimme kam aus weiter Ferne.
    Maureens Finger zerrten an ihrem Kragen, und ihre Fersen trommelten auf die Matratze. Irgendwie musste sie Luft bekommen – musste sie loswerden, was immer ihr nach dem Leben trachtete. Das Grauen wuchs, je lauter der Herzschlag durch ihren Kopf pulsierte, zu einem langsamen, schweren Stampfen wurde und alle anderen Geräusche übertönte. Das spärliche Licht schwand weiter, und sie drehte den Kopf zu Kate – zu dem fernen Schreien ihres Neugeboren.
    Henry stolperte hinter dem Arzt die Treppe hinunter, und seine Anspannung war nicht frei von Furcht. Das Kind kam zu früh, und Maureen hatte sich während des größten Teils der Reise nicht wohl gefühlt. Er hatte gehofft, dass zwei Wochen an Land ihr für diesen Augenblick neue Kräfte schenken würden – aber jetzt geriet alles außer Kontrolle. Noch nie hatte er sich so hilflos gefühlt.
    Sie liefen den schmalen Gang hinunter, und er hörte Kates panische Stimme. Henry schäumte vor Ungeduld; die klobige Gestalt vor ihm ging zu langsam, aber es war nicht genug Platz, um daran vorbeizukommen. »Schneller, schneller«, drängte er. »Da stimmt etwas nicht.«
    »Die Frauen regen sich in solchen Augenblicken zu sehr auf.« Der Arzt behielt seinen gemächlichen Schritt bei. »Es gibt sicher keinen Grund zur Sorge.«
    Kate flog ihnen entgegen und stürzte sich auf den Arzt. »Sie müssen ihr helfen«, schrie sie und zerrte an seinem Arm. »Sie atmet nicht mehr.«
    Henry stieß beide beiseite und rannte zu seinem Abteil. Rutschend kam er zum Stehen und sank vor der Koje auf die Knie. Maureen lag auf der Matratze, den Mund zu einem stummen Schrei aufgerissen. Ihre Haut sah aus wie Marmor und war um den Mund herum bläulich gefärbt, und am Hals leuchteten die tiefen Spuren ihrer Fingernägel.
    »Lassen Sie mich mal sehen.« Eine Hand schob ihn mit festem Griff beiseite, der Arzt ließ seine Tasche auf den Boden fallen und machte sich hastig daran, Maureen zu untersuchen.
    Henry war nur halb bewusst, dass Kate neben ihm stand, und auch das Wimmern des neugeborenen Kindes drang kaum zu ihm durch. Er hatte nur Augen für Maureen. Sie war so still, so blass – so fern und ganz anders als das Mädchen, das er liebte. Er konnte es nicht erwarten, dass der Arzt sie weckte – dass er feststellte, was schief gegangen war, und es in Ordnung brachte. Denn ein Leben ohne Maureen war undenkbar.
    Der Arzt beendete seine Untersuchung und stand auf. Sein Gesicht war ernst, und seine Augen wichen Henry aus, als er sprach. »Ihre Frau ist tot«, sagte er betrübt. »Sie hatte sich kürzlich eine Rippe gebrochen, und das könnte die Ursache sein.« Er legte Henry eine fleischige Hand auf die Schulter. »Wenn dem so ist, war es ohnedies nur eine Frage der Zeit. Es tut mir Leid.«
    Henry wusste nicht, ob er richtig gehört hatte. »Nein«, murmelte er. »Sie kann nicht tot sein. Wir haben doch eben noch miteinander gesprochen.« Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, und sein Blick ging zwischen Kate und dem Arzt hinund her. Das Schweigen zog sich in die Länge, und seine gepeinigten Gedanken drehten sich im Kreis.
    »Wieso eine Rippe gebrochen?« Die Verwirrung lähmte seinen Verstand. »Sie hat nie etwas davon gesagt.«
    Der Arzt packte die Instrumente in die Tasche und rückte den Kneifer zurecht. »Die Rippenfraktur ist eine ziemlich frische Verletzung, die nicht behandelt wurde und deshalb nicht gut verheilt ist. Sie muss Schmerzen gehabt haben, aber zweifellos wollte sie Sie nicht beunruhigen«, sagte er nüchtern. »Die Strapazen der Entbindung waren der entscheidende Faktor in diesem überaus tragischen Fall. Keiner von uns hätte irgendetwas tun können.« Trübselig spähte er über

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