Das Versprechen des Opals
die andern hier sind.« Sie stellte das Glas neben sich auf den Tisch. »Ich habe meine Gründe, wie Sie bald verstehen werden.«
Schweigend saßen sie da und hingen ihren Gedanken nach.
Der Himmel verdunkelte sich. Bald würde es Nacht werden. Draußen krächzten die Gallahs und Sittiche, die ihren letzten Flug des Tages unternahmen, ehe sie sich auf den Bäumen niederließen. Diese Laute hatten sie ihr Leben lang begleitet, und das Wissen, dass sie eines Tages nicht mehr hier sein würde, um sie zu hören, machte Miriam Angst. Sie griff zum Glas und nahm einen großen Schluck, um ihre Nerven zu beruhigen. Es war fast, als höre sie das Ticken ihrer Lebensuhr.
»Mim? Fehlt Ihnen auch nichts, Mim?«
Jakes sorgenvolle Stimme kam aus großer Ferne, und Miriam musste sich zwingen, ruhig und vernünftig zu bleiben. Sie trank ihren Brandy aus. »Es sind nur wieder diese Geister«, sagte sie mit zittrigem Lachen.
»Ich glaube wirklich, wir sollten für heute Schluss machen. Sie sind offensichtlich erschöpft, und das alles kann Ihnen nicht gut tun.«
»Tut es aber«, sagte sie mit Entschiedenheit. »Ich finde keine Ruhe, ehe ich fertig bin.« Sie lächelte, um die Wirkung ihrer Worte zu mildern. »Ich muss es tun, Jake. Ich würde mich selbst aufgeben, wenn ich einfach aufhörte, nur weil ich müde bin.«
Jake schaute sie forschend an, schwieg aber. Widerstreitende Empfindungen spiegelten sich in seinem ausdrucksvollen Gesicht; Miriam las Zweifel darin und Argumente gegen das, was sie da tat, aber sie wusste, es gab kein Zurück. Er musste alles erfahren, wenn er ihr helfen sollte.
»Mein Vater, Paddy und ich reisten endlose, staubige Meilen weit, nachdem wir Port Philip verlassen hatten«, begann sie wieder. »Wir zogen von einem Prospektorencamp zum nächsten, immer auf der Suche nach Gold und Edelsteinen. Unsere Habseligkeiten stapelten sich auf dem Wagen, und unsere Pferde wurden mit den Jahren immer älter und müder.«
Sie erinnerte sich daran, wie sie, eingehüllt in Staubwolken, durch den Busch gerumpelt waren. Der holpernde, schaukelnde Wagen war ihre Wiege gewesen, und ihr Vater hatte jeden freien Augenblick genutzt, um das außergewöhnliche Licht des Outback in Gemälden einzufangen.
»Ich war ein Kind der Goldgräberlager«, fuhr sie fort. »Es war ein einsames Leben, denn die meisten Prospektoren hatten ihre Familien in den Städten zurückgelassen. Aber ich kannte nichts anderes, und so nahm ich die Dinge hin, wie sie waren.«
»Wie hat sich denn Ihr Vater um ein Baby kümmern können, wenn er den ganzen Tag in der Mine gearbeitet hat?«
Miriam zuckte die Achseln. »Als ich ganz klein war, engagierte er die Frau eines Werkzeughändlers, damit sie mich versorgte, und als wir zur nächsten Schürfstätte weiterzogen, fand er die Frau eines Diggers, die bereit war, tagsüber auf mich Acht zu geben, während er arbeitete. Als ich älter wurde, wurde ich selbständiger und verdiente mir meinen Unterhalt damit, dass ich die Abraumhalden nach allem durchstöberte, was die Schürfer vielleicht übersehen hatten. Die Halden waren mein Spielplatz, mein Spielzeug war der weggeworfene Plunder, der bei den Minen herumlag, und meine Freunde waren die graubärtigen, misstrauischen Männer, die dort arbeiteten. Aber ich war zufrieden.« Sie seufzte. »Gottlob war ich ein braves Kind, das niemandem Ärger gemacht hat. Vielleicht hole ich das jetzt nach?«
»Das könnte Ihre Sturheit erklären.« Er verzog keine Miene.
Sie nickte, und das Lächeln brachte das Grübchen in ihrer Wange zum Vorschein. »Kann sein«, sagte sie leise. »Aber ich nenne es lieber Hartnäckigkeit.«
Beide lachten, und Mim spürte, dass er ihr neue Kraft gab. »Im Jahr 1905 kam es dann zur Katastrophe. Niemand von uns hätte vorhersehen können, was ihre Ankunft in der Mine bedeuten sollte. Niemand von uns hätte ahnen können, was für eine Tragödie bevorstand.«
Kate steuerte ihr Maultiergespann in die Diggersiedlung Wallangulla. Sie saß auf dem Bock und hielt die Zügel mit leichter Hand, und die Maultiere stapften an Abraumhalden und tiefen, quadratischen Schächten vorbei, die senkrecht in die rote Erde hineinführten. Ihr war bewusst, dass man sie neugieriganstarrte, weil sie in der Welt dieser harten Männer eine Absonderlichkeit war. Aber sie war gewöhnt an diese Blicke, an das Misstrauen, das ihre Ankunft weckte, denn sie bereiste diese Camps bereits seit fünf Jahren, und sie bargen kaum noch Überraschungen für
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