Das Versprechen des Opals
gebraucht haben, aber mir kam es wie eine Ewigkeit vor. Die meiste Zeit habe ich geschlafen oder geweint, aber die Alpträume waren das Schlimmste. Immer wieder sah ich meinen Vater unten in einem finsteren Schacht, eingekreist von Schlangen und wimmelndem Ungeziefer, verletzt und außerstande, um Hilfe zu rufen.«
Miriam öffnete die Augen wieder, und weil ihre Erinnerungen so düster waren, erschrak sie über das helle Sonnenlicht, das durch die Fenster hereinflutete. »Als wir in Sydney eintrafen, erfuhren wir, dass Isaac mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus gebracht worden war. Sein Haus war verlassen und verschlossen.«
Sie putzte sich die Nase und betupfte ihre Augen. »Ich habe ihn nie zu Gesicht bekommen. Kate wollte mich nicht mit ins Krankenhaus nehmen, wenn sie ihn besuchte. Er war ein guterMann, und er war treu.« Sie lächelte unter Tränen. »Er ist kurz nach unserer Ankunft in Sydney gestorben, aber er hinterließ ein Testament, in dem er Kate alles vermachte – das Haus, das Geschäft, die Bestände an Gold und Edelsteinen in seinem Tresor. Seine Prophezeiung hat sich erfüllt, wenn auch anders als gedacht: Kate war plötzlich eine steinreiche Frau.«
Fiona lenkte das Motorrad lässig durch die lang gezogenen Kurven der Landstraße. Durch die dunklen Schatten der überhängenden Bäume blitzte immer wieder grelles Sonnenlicht, und deshalb war es schwierig, Entfernungen abzuschätzen. Die Gegend ist wunderschön, dachte sie, als sie auf gerader Strecke endlich Gas geben konnte. Meilenweit erstreckte sich grünes Grasland in alle Richtungen. Hügel und Täler waren gesprenkelt von Schafen, Rindern und Pferden. Es war gutes Weideland mit reichlich Wasser, vorzüglich geeignet für Mims Pferdezucht.
Schließlich sah sie die ersten Weiden, die Mim gehörten, und eine Viertelstunde später erreichte sie das schmiedeeiserne Tor des Anwesens. Statt des Drahtzauns flankierten nun hübsche Ziegelmauern die Durchfahrt, und auf einer Steintafel stand der Name BELLBIRD. Jacaranda-Bäume bewachten das Tor und säumten die breite Zufahrt, die sich nach Norden schlängelte. Die Blüten leuchteten lila im Sonnenschein.
Fiona stieg ab und öffnete einen Torflügel. Wie immer bei ihren häufigen Besuchen stellte sie fest, dass sich seit ihrer Kindheit alles sehr verändert hatte. Sie erinnerte sich noch gut an den schmalen Feldweg, der im Gestrüpp kaum zu sehen gewesen war, und an das Tor mit fünf Gitterstäben, das immer schief an einer Angel gehangen hatte.
Die Vorfreude war ein wichtiger Bestandteil ihrer Besuche auf Bellbird, und so fuhr sie langsam weiter und genoss dieUmgebung. Die Farm selbst war immer noch nicht zu sehen. Vor Fiona lag die sonnengetüpfelte Jacaranda-Allee, und die flachen Hügel ringsum waren sanft gerundet und dicht mit kräftigem grünem Gras bewachsen. Die Pferde, die darauf weideten, waren anmutig.
Als sie auf einem der Hügel ankam, kam die Farm endlich in den Blick, und Fiona hielt einen Moment an, um sich zu orientieren. Das Farmhaus stand kantig an der einen Seite des Hofes; die weiß gestrichenen Wände und das rote Wellblechdach leuchteten vor dem Hintergrund der blassgrünen Pfefferund Eukalyptusbäume. Koppeln und Stallungen hatten die Ockerfarbe der Umgebung angenommen, aber die Flammenbäume, die mit ihren ausladenden Ästen und roten Blättern die Außengebäude und Franks kleines Haus beschirmten, milderten diesen schrillen Farbton.
Die Vorfreude verwandelte sich in Ungeduld, und Fiona gab Gas und donnerte den Hügel hinunter. Neben einem staubigen Geländewagen mit Nummernschildern aus Brisbane brachte sie die Maschine zum Stehen. Mims Besuch war demnach noch da.
Fiona nahm den Helm ab, schüttelte ihr Haar und stieg vom Motorrad. Könnte interessant sein, der Telefonstimme ein Gesicht zu geben, dachte sie und streckte die Hand nach der Fliegentür aus. Das Telefonat mit dem Unbekannten hatte ihre Fantasie beflügelt.
Ihre Hand verharrte am Türgriff, als sie leise Stimmen aus dem Wohnzimmer hörte. Verwirrt lauschte sie einen Moment. Es war ungewöhnlich, dass Mim dieses Zimmer benutzte, wenn sie nicht gerade wichtigen Besuch hatte, und das Gespräch, das sie da anscheinend führte, drehte sich nicht eben um Dinge, die man mit einem Fremden erörterte.
Aber sie durfte nicht länger lauschen; man hatte das Motorradsicher gehört. Also stieß sie die Fliegentür auf und rief: »Hallo? Jemand zu Hause?«
»Im Wohnzimmer, Fiona«, war die Antwort.
Fiona
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