Das Versprechen des Opals
drin ist, aber ich schlage vor, ihr versucht es da zuerst. Das meiste hat Kate gehört.«
Kate heiratete George Armitage an einem Sommernachmittag im Jahre 1909. Sie trug einen weißen Rock und eine Bluse aus feinstem Batist und hielt ein Orchideensträußchen in der Hand. Die gleichen zartrosa Blüten steckten auch in ihrem dunklen Haar. Miriam zweifelte nicht daran, dass es eine Liebesheirat war. Sie hatte zur Feier ein zitronengelbes Kleid angezogen und sich ein Hibiskussträußchen an die Taille und ein zweites ins Haar gesteckt. Der Bräutigam sah stattlich aus in seinem neuen Anzug; Schnurrbart und Haar glänzten von Pomade, aber er war sichtlich nervös.
George war ein wortkarger Mann von gewinnender Schüchternheit, wie sie unter den Bewohnern der entlegenen Farmen verbreitet war. Er war hoch gewachsen und schlank, hatte braune Augen und einen Seehundsschnäuzer; seine wettergegerbte Haut war sonnengebräunt von den ungezählten Stunden, die er im Sattel bei seinen Rindern verbracht hatte. Hinter seiner langsamen, gedehnten Queenslander-Sprache verbarg sich ein flinker Verstand. Er hatte Kate mit einer Zielstrebigkeit den Hof gemacht, die sie beide überrascht hatte.
Als sie aus der Kirche kamen und in den Buggy stiegen, vertraute er Miriam an, wie verblüfft er immer noch war, denn erhätte niemals erwartet, dass eine so schöne und lebhafte Frau wie Kate seinen Antrag annehmen würde. Miriam hatte ihn von Anfang an gemocht. In gewisser Weise erinnerte er sie an ihren Vater, denn er war von der gleichen Bedächtigkeit und der gleichen störrischen Entschlossenheit.
Gern ließen Miriam und Kate die Großstadt hinter sich; dankbar vertauschten sie die einengenden eleganten Kleider gegen Sachen, die besser für das Outback geeignet waren. Sie würden mehrere Wochen unterwegs sein, bis sie Georges Besitz zu Gesicht bekämen.
Auf dem Gipfel der letzten Anhöhe hielt der Buggy an, und George schob den Hut in den Nacken. »Willkommen auf Bellbird«, sagte er. »Nicht so eindrucksvoll wie das feine Haus in Sydney, aber es ist ein Zuhause.«
Kate schob die Hand in seine und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Zu Hause ist man da, wo das Herz wohnt«, sagte sie leise. »Und meins wohnt hier, bei dir und Mim.«
Miriam waren solche romantischen Klischees peinlich, aber sie verstand, welche Gefühle dahinter standen. Denn Kate hatte endlich die Liebe gefunden – sie hatte die Vergangenheit endlich hinter sich gelassen und fing ein neues Leben an.
Miriam saß neben den beiden im Wagen und sah beeindruckt, welche Schönheit sich da vor ihnen ausbreitete. Es war spät am Nachmittag. Zinnoberrote Streifen zogen sich über den Himmel, und die untergehende Sonne erfüllte das Tal unter ihnen mit ätherischem Glanz. Die Bellbird-Farm schmiegte sich in den Schutz der Bäume. Verwitterte Holzwände badeten im milden Licht. Außengebäude verteilten sich um den Hof, der aus festgestampfter Erde bestand, und eine Rauchfahne stieg federzart aus einem Kamin. Rinder weideten auf den Hängen der Hügel ringsum; knietief standen sie im hohen grünen Gras. Stille erfüllte die Landschaft, das Gefühl, dasssich hier nichts geändert hatte, seit der erste Siedler in diesem entlegenen Winkel von New South Wales angekommen war, und endlich wusste Miriam, dass sie zu Hause war.
George klatschte mit den Zügeln, und das Pferd setzte sich in Gang und begann den gemächlichen Abstieg ins Tal. Bei näherem Hinsehen zeigte sich, dass das Farmhaus ziemlich baufällig war; nicht nur das Dach war reparaturbedürftig. Als George Kate beim Aussteigen half und sie die von Termiten zerfressene Treppe hinaufführte, wusste Miriam, dass Kate bereits Renovierungspläne schmiedete.
Die Küche, die keine weibliche Hand mehr gesehen hatte, seit Georges erste Frau zehn Jahre zuvor gestorben war, bot ein Bild der Verwüstung. Der Herd war schmutzig, und die Wand dahinter und der Balken darüber waren rauchgeschwärzt. Stühle und Tische waren übersät mit landwirtschaftlichen Handbüchern, alten Stiefeln und Pferdedecken, und der Spülstein war seit einem Jahrzehnt nicht mehr geschrubbt worden.
George scheuchte zwei Hühner hinaus, die ihre Eier in die Feuerholzkiste gelegt hatten, und kniete sich hin, um seinen steinalten Hund zu streicheln, der vor dem Herd döste. »Tut mir Leid, dieses Durcheinander«, sagte er schüchtern und liebkoste den seidigen Kopf des Queensland Blue. »Ich hab eine der Lubras gebeten, hier sauber zu machen, aber sie
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