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Das verstummen der Kraehe

Das verstummen der Kraehe

Titel: Das verstummen der Kraehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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Könnte er der Angreifer gewesen sein?«
    »Er hat auf meiner Höhe kurz angehalten und seinen Schuh zugebunden.«
    »Kannst du ihn beschreiben?«
    Ich schloss die Augen und holte ihn vor mein inneres Auge. »Er war komplett dunkel angezogen. Und er war schlank. Aber was sagt das schon aus?«
    »Hast du sein Gesicht sehen können?«
    »Nein.«
    »Hast du einen Geruch wahrgenommen?«
    »Dazu war er zu weit entfernt.«
    »Was sagt dir dein Gefühl? Warst du ein Zufallsopfer, oder hatte es der Täter auf dich abgesehen?«
    Mir war kalt, ich schlang die Arme um den Körper. »Mein Verstand sagt mir, dass ich gemeint war. Das war weder ein Angriff von einem Sexualtäter noch ein Raubüberfall. Und wenn er mich hätte umbringen wollen, hätte er meinen Kopf nur ein bisschen länger unter Wasser halten müssen. Ich glaube, es war als ganz massive Drohung gedacht.«
    »Und wer kommt dafür infrage?«
    Ich nahm ein Croissant, brach ein Stück ab und schob es in den Mund. Noch vor fünf Minuten hatte ich geglaubt, mich beim ersten Bissen übergeben zu müssen, jetzt spürte ich, wie hungrig ich war. »Keine Ahnung. Bei einer weniger drastischen Aktion hätte ich gesagt, einer von Theresa Lenhardts fünf Erben. Die Sache mit der Kerze, mit den Kondomen und den Fotos und selbst mit den Bonsais traue ich denen zu, darüber haben wir ja schon gesprochen. Aber so einen Überfall? Nein. Außer …«
    »Ja?«
    »Außer, es gibt doch einen Mörder unter ihnen.«
    »Was ist mit den anderen Fällen, die du gerade bearbeitest?«
    »Der eine oder andere ist knifflig, aber es ist keiner dabei, der auch nur annähernd in diese Richtung weist.«
    »Könnte es irgendetwas mit deinem Bruder zu tun haben?«
    »Wie denn das?«
    »Das versuche ich ja gerade herauszufinden.« Henrike stützte das Kinn auf ihre Hand und legte die Stirn in Falten.
    »Warum sollte mich jemand, der es nicht auf Theresa Lenhardts Erbe abgesehen hat, sechs Jahre nach Bens Verschwinden bedrohen?«
    »Weil du angefangen hast, Fragen zu stellen. Mit wem hast du über Ben gesprochen?«
    »Mit den Erben und mit seinen ehemaligen Mitbewohnern. Aber die beiden Jungs kannst du auch streichen. Die überfallen mich nicht abends im Park.«
    »Was hast du von ihnen erfahren?«
    »Laut Matthias hat mein Bruder vor seinem Tod enthaltsam gelebt, hatte also allem Anschein nach keine Beziehung. Nils hat mir von einem angeblichen Scherz erzählt, den Ben sich mit ihm erlaubt hat. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob es wirklich ein Scherz war.« Ich gab ihr detailgetreu wieder, was Nils gesagt hatte.
    »Eine Festplatte?«, fragte sie wie elektrisiert. »Hat er diesen Jungen, der sie gebracht hat, beschreiben können?«
    »Nein, hat er nicht.« Ich nahm einen Schluck Kaffee und wechselte das Thema. »Eigentlich hoffe ich, dass dieser Angreifer mich mit jemandem verwechselt hat. Wenn es nämlich nicht so war, stellt sich die Frage, was es ist, das solch eine Bedeutung oder solch einen Wert hat, dass man dafür jemanden brutal überfällt. Vielleicht geht es doch nur um dieses verdammte Vermögen von Theresa Lenhardt.«
    Henrike blies nachdenklich in ihren Tee. »Vielleicht befürchtet jemand, durch deine Recherchen aufzufliegen. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass Ben noch lebt und nicht gefunden werden möchte.«
    »Mein Bruder soll für diesen Überfall verantwortlich sein? Henrike, ganz ehrlich, du spinnst. Ben ist tot. Weder würde er uns sechs Jahre lang leiden lassen noch mich überfallen! Ein für alle Mal: Er war nicht kriminell!«
    Sie drehte die Kreole in ihrem Ohr. »Sollte er tatsächlich tot sein, muss jemand dafür verantwortlich sein. Andernfalls wäre er längst gefunden worden. Vielleicht bist du diesem Jemand zu nah gekommen. Komm, lass uns in den Park gehen, ich will mir die Stelle, an der es passiert ist, mal genauer ansehen.«
    »Bist du noch zu retten? Da bekommen mich keine zehn Pferde hin.«
    »Willst du den Park bis in alle Ewigkeit meiden?«
    »Es ist kurz vor acht, Funda kommt gleich, außerdem habe ich jede Menge Arbeit auf dem Schreibtisch.«
    »Wenn jemand, der einen Verkehrsunfall hatte, nicht gleich wieder Auto fährt, fährt er vielleicht nie wieder.«
    »Es gibt für alles überzeugende Gegenbeispiele.«
    Funda verspätete sich um zehn Minuten. Als sie mit gewohntem Enthusiasmus an ihrem Schreibtisch Platz nahm, erklärte ich ihr, was zu tun war. Dann folgte ich Henrike widerwillig nach draußen.
    »Ich stelle zwei Bedingungen dafür, dass ich

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