Das verwundete Land - Covenant 04
rutschte seitwärts, um aufstehen zu können. »Dank der Aliantha «, sagte sie unterdrückt. »Wenn wir ihn weiter damit füttern ...«
Ah, du bist noch voller Trotz. Noch voller Trotz. Noch voller Trotz. Dann stand Covenant erneut auf den Beinen, hing wie gekreuzigt zwischen seinen Begleitern, die Arme auf ihren Schultern. Anfangs litt er an wirren Träumen von Lord Foul, von Marid, der mit aufgeschlitzter Kehle unter einer wütigen Sonne lag. Später jedoch kehrte in ihm eine gewisse Ruhe ein; Visionen von Feldern und Fluren kamen ihm – von Augen, auf denen Tau glitzerte, die bewachsen waren mit Wiesenraute und Huflattich. Linden wandelte darin umher. Sie war Lena und Atiaran: stark und aufs stärkste verletzt; fähig zur Liebe; verurteilt zum Mißlichen. Und sie war Elena, verderbt durch fehlgeleiteten Haß – Kind der Vergewaltigung, das sich selber den Untergang bescherte, indem es gegen das Gesetz des Todes verstieß, weil es glaubte, die Toten könnten die Bürden der Lebenden tragen. Und doch war sie keine davon. Sie war sie selbst, Linden Avery, und ihre Berührung kühlte Covenants Stirn. Sein Arm schien voll mit Asche zu sein; der Ärmel des T-Shirts schnitt nicht länger in die Schwellung ein. Die Mittagsstunde hielt das Flußbett im Schraubstock der Hitze; doch er konnte atmen, er vermochte zu sehen. Sie Herz schlug mit fast schon ungewohnter Regelmäßigkeit. Als er zu Linden aufblickte, bildete der Sonnenschein einen hellen Kranz um ihren Kopf.
»Sunder.« Ihr Tonfall klang nach Tränen. »Er wird gesund.«
»Ein seltsames Gift, diese Aliantha «, bemerkte Sunder grimmig. »Zumindest dafür ist die Sonnengefolgschaft eine Erklärung schuldig.«
Covenant wollte etwas sagen; aber die Hitze machte ihn apathisch, und er fühlte sich schwach wie ein Kind. Er verschob im Sand seine Hüften und schlief wieder ein.
Als er von neuem aufwachte, stand der Sonnenuntergang bevor. Er lag, den Kopf noch in Lindens Schoß, am Westufer des Flußbetts, und der Himmel war gestreift mit Orangerot und Rosa, mit Sonnenlicht, das sich in der mit Staub erfüllten Luft brach. Ihm war so gebrechlich zumute, als sei er nur ein Haufen alter Knochen; doch er war im Kopf klar und am Leben. Seine Bartstoppeln juckten. Die Schwellung war bis unter den Ellbogen zurückgegangen; der Unterarm war nicht mehr schwarz, sondern besaß nur noch die blaßlila Färbung von Schatten. Selbst all die blauen Flecken in seinem Gesicht, so hatte es den Anschein, waren ausgeheilt. Sein T-Shirt war seit langem trocken, so daß ihm weiterer Blutgestank nun erspart blieb. Das Zwielicht machte Lindens Miene unkenntlich; aber sie sah auf ihn herab, und er schenkte ihr ein mattes Lächeln. »Ich habe von dir geträumt.«
»Etwas Angenehmes, hoffe ich.« Ihre Stimme klang wie die Stimme der Schatten.
»Du hast an meine Tür geklopft«, sagte er, denn sein Herz war so voller Erleichterung. »Ich habe geöffnet und gebrüllt; ›Gottverdammt, wenn ich Gäste aufnehmen wollte, würde ich ja wohl ein Schild aufstellen!‹ Du hast mir'n Schock bereitet, daß ich fast eine Maulsperre bekam. Es war Liebe auf den ersten Blick.« Darauf drehte Linden den Kopf zur Seite, als hätte er sie gekränkt. Covenants Lächeln verflog. Schlagartig verwandelte seine Erleichterung sich in den alten, wohlvertrauten Schmerz der Einsamkeit, einer Vereinsamung, die nun ihre besondere Härte dadurch erhielt, daß diese Frau sich nicht vor ihm fürchtete. »Auf jeden Fall«, ergänzte er mit verzerrten Gesichtszügen, als gedenke er eine Grimasse des Bedauerns und der Entschuldigung zu schneiden, »kam's mir in dem Moment so vor.«
Linden ging darauf nicht ein. Im Dämmerlicht wirkte ihr Kopf wie ein Helm, wehrhaft wider alle Anmutungen von Zuneigung oder Sympathie.
Ein gedämpftes, entferntes Stampfen durchdrang die Abenddämmerung; doch Covenant nahm es kaum zur Kenntnis, bis plötzlich Sunder vom Ostufer herabsprang. »Ein Gefolgsmann«, rief er und hastete durch den Sand, um sich neben Linden hinzukauern. »Fast hätte er mich gesehen.«
Linden rührte sich unter Covenant, machte Anstalten aufzuspringen. Covenant setzte sich beschwerlich auf, rang um Gleichgewicht für Herz und Haupt. Er befand sich in keiner Verfassung zur Flucht. »Kommt er in diese Richtung?« Furcht ließ Lindens Flüstern scharf klingen.
»Nein«, antwortete Sunder sofort. »Er ist nach Steinhausen Mithil unterwegs.«
»Dann sind wir in Sicherheit?« Das Geräusch war inzwischen nahezu
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