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Das verwunschene Haus

Das verwunschene Haus

Titel: Das verwunschene Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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Verlobte wieder aufsteht, und er sie ansieht, weiß er sofort, daß sich ein Drama anbahnt.
    Suleima versucht, den Leichnam hochzuheben.
    »Komm schon, so hilf mir doch!« ruft sie Jussef zu, der noch immer wie versteinert wirkt.
    Der Meharistensergeant ergreift den toten Körper und legt ihn auf den Sattel eines der Maultiere, mit denen sie hergekommen sind. Unter der schon heiß brennenden Sonne legen sie den Weg jetzt in umgekehrter Richtung zurück.
    Schließlich bricht Jussef das Schweigen: »Was wirst du tun?«
    Und Suleima erwidert mit kaum hörbarer Stimme: »Meine Pflicht.«
    »Gehst du zur Polizei?«
    »Nein.«
    »Aber es handelt sich um Mord. Er hat eine Kugel in der Brust.«
    Mit harter Stimme erklärt das junge Mädchen: »Das habe ich gesehen. Er ist von einem feigen Verräter erschossen worden, und ich weiß, wer es ist.«
    »Hat er dir gesagt, wen er in den Ruinen treffen wollte?«
    »Nein. Aber es kann nur Achmed Lahouine sein.«
    Jussef Mourad versucht, seine Verlobte zur Vernunft zu bringen.
    »Du hast zweifellos recht. Und eben deshalb müssen wir uns an die Behörden wenden. Achmed wird verhaftet und bestraft werden.«
    Suleima Kabir wirft Jussef einen eisigen Blick zu.
    »Heißt das, daß du das wirklich vorhast? Willst du zur Polizei gehen?«
    »Hör zu, Suleima, du mußt das verstehen. Ich bin dazu verpflichtet. Ich bin ein Meharist, ein Soldat. Und es handelt sich um Mord.«
    Haßerfüllt sieht Suleima ihn an.
    »Wenn du das tust, Jussef, sind wir für alle Zeiten getrennt!« Der Meharistensergeant schweigt daraufhin. Einen Moment lang vernimmt man nichts anderes als ihrer beider Schritte und die der Maultiere. Schließlich stößt der junge Mann einen tiefen Seufzer aus, ohne jedoch etwas zu sagen.
    Suleima ist es, die am Ende wieder zu sprechen beginnt, mit einer seltsam fern klingenden Stimme, als befinde sie sich in einem Traum: »Ich werde Hachem begraben, und danach gehe ich fort.«
    »Wohin willst du?«
    Das junge Mädchen scheint die Frage nicht gehört zu haben. »Ich werde ihn sitzend begraben«, fährt sie fort, »denn er wird nicht eher Ruhe finden, bis ich ihn gerächt habe.«
    »Willst du damit etwa sagen, daß...«
    »Daß ich ihn rächen werde, ja!«
    »Aber du bist verrückt! Ein Mädchen rächt sich nicht!«
    »Ich ja.«
    »Du kennst das Gesetz der Wüste, nicht wahr? Du weißt also, auf welche Weise du ihn rächen mußt?«
    »Ja, ich weiß es. Genauso wie ich weiß, daß Hachem meinetwegen den Tod gefunden hat. Aus Liebe zu mir. Weil er mich keinem Mann geben wollte, den ich nicht liebe. Er hat für mich getan, was kein anderer Bruder getan hätte, und deshalb werde ich für ihn tun, was keine andere Schwester täte!«
    Erneutes Schweigen. Dann fragt Jussef: »Suleima, hast du überhaupt nicht an uns beide gedacht?«
    Zum ersten Mal verliert die Stimme der jungen Beduinin ihren wilden Ton: »Ich habe keine Wahl. Wenn es Allahs Wille ist, werden wir einander vielleicht wiederfinden.«
    »Suleima. du weiß genau, daß das nicht möglich ist. Wenn du ausführst, was du vorhast, wirst du hinterher nie und nimmer entkommen können.«
    Das junge Mädchen gibt keine Antwort. Verzweifelt versucht Jussef Mourad, sie von ihrem Plan abzubringen: »Du hast nicht die geringste Chance, Suleima. Kannst du dich nicht damit begnügen, ihn zu töten?«
    »Nein, damit wäre mein Bruder nicht wirklich gerächt.« Jussef faßt seine Verlobte am Arm.
    »Dann werde ich die Rache an deiner Stelle vollziehen.«
    »Nein, du hast kein Recht, das zu tun.«
    »Laß uns heiraten. Sobald ich dein Mann bin, kann ich für dich Rache nehmen.«
    Doch Suleima schüttelt den Kopf.
    »Ich kann nicht heiraten. Wir müssen uns trennen, Jussef. Vielleicht begegnen wir uns wieder...«
    Sie sind inzwischen im Lager der Beduinen angelangt, die eilig herbeilaufen und entsetzt aufschreien. Jussef Mourad blickt Suleima fest in die Augen und sagt: »Ich bin einverstanden, Suleima. Ich werde nichts sagen. Aus Liebe zu dir verzichte ich auf dich.«
    Im Lager entdecken sie kurz darauf, daß Achmed Lahouine verschwunden ist. Er ist noch in der Nacht mit seinem Kamel fortgeritten. Seine Flucht kommt einem Geständnis gleich... Drei Tage später reitet Suleima ebenfalls auf dem Rücken eines Kamels davon. Sie nimmt die Schmuckstücke mit, die als Mitgift für sie gedacht waren und die sie zum Leben brauchen wird.
    Sie muß sich zwingen, nicht an Jusset's letzten Blick zu denken, als sie von ihm Abschied genommen hat. Statt

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