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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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bis zur Zentrale in der Charles Street, wo er seinen Begleiter entlassen konnte.
    Zehn Minuten später wurde Preston von Sir Bernard Hemmings empfangen.
    Der alte Agentenfänger sah grau aus, als leide er Schmerzen, was häufig der Fall war. Von der Krankheit, die in ihm wütete, war äußerlich nichts zu sehen, doch die Untersuchungsergebnisse ließen keinen Zweifel zu. Ein Jahr, hatten die Ärzte gesagt, und nicht zu operieren. Am 1. September würde er das Pensionierungsalter erreichen, und da ihm noch Urlaub zustand, konnte er Mitte Juli aufhören, sechs Wochen vor seinem sechzigsten Geburtstag.
    Vermutlich wäre er schon ausgeschieden, wenn nicht familiäre Verpflichtungen ihn zum Bleiben bestimmt hätten. Seine zweite Frau hatte eine Tochter mit in die Ehe gebracht, die der kinderlose Mann wie eine eigene liebte. Das Mädchen ging noch zur Schule. Eine vorzeitige Pensionierung hätte eine empfindliche Kürzung seiner Bezüge bewirkt, und er hätte seine Witwe und das Mädchen in bedrängten Verhältnissen zurücklassen müssen. Vernünftig oder nicht - er tat alles, um bis zum offiziellen Termin durchzuhalten und so den Seinen die vollen Ruhestandsbezüge hinterlassen zu können. Er hatte sein ganzes Leben im Dienst verbracht und keine anderen Besitztümer zu vererben.
    Preston erklärte, was sich am Vormittag im Verteidigungsministerium ereignet hatte, und daß nach Capsticks Meinung die Dokumente unmöglich auf andere als absichtliche Weise aus dem Ministerium hatten herausgeschafft werden können.
    »O mein Gott«, murmelte Sir Bernard. »Nicht noch einmal!« Noch nach Jahren quälte ihn die Erinnerung an Vassall und Prime und an die giftige Reaktion der Amerikaner, als sie davon erfuhren.
    »Und wo wollen Sie anfangen, John?«
    »Ich sagte Bertie Capstick, er solle zunächst Schweigen bewahren«, antwortete Preston. »Falls wir wirklich einen Verräter im Ministerium sitzen haben, dann erhebt sich eine zweite Frage. Wer hat das Zeug an uns zurückgeschickt? Ein ehrlicher Finder, ein Langfinger, eine Ehefrau mit Gewissensbissen? Wir wissen es nicht. Aber wenn wir den Absender finden, dann können wir vielleicht auch herausbringen, wo er oder sie das Zeug her hatte. Was uns eine Menge Arbeit ersparen würde. Von dem Briefumschlag erhoffe ich mir nicht viel - gewöhnliches braunes Papier, kann überall gekauft worden sein, normale Briefmarken, Adresse mit Filzstift in Blockbuchstaben geschrieben und durch viele unbekannte Hände gegangen. Aber auf den Papieren können Fingerabdrücke sein. Ich möchte sie gern alle von Scotland Yard untersuchen lassen - unter Aufsicht natürlich. Danach wissen wir vielleicht, wie wir weitermachen müssen.«
    »Gut durchdacht. Sie kümmern sich um diese Seite der Angelegenheit«, sagte Sir Bernard. »Ich werde mit Tony Plumb und wahrscheinlich auch mit Perry Jones sprechen müssen.
    Vielleicht kann ich mich zum Lunch mit ihnen treffen. Es hängt natürlich davon ab, was Perry Jones davon hält, aber wir müssen hier den Koordinierungsausschuß einschalten. Sie machen mit Ihrem Teil weiter, John, und halten mich auf dem laufenden. Wenn der Yard irgend etwas findet, will ich es wissen.«
    Drüben in Scotland Yard war man sehr hilfsbereit und stellte Preston einen der besten Laborleute zur Verfügung. Preston stand neben dem zivilen Experten, der sorgfältig jedes einzelne Blatt einstäubte. Es ließ sich nicht vermeiden, daß der Mann auf jedem Blatt den Vermerk TOP SECRET zu sehen bekam.
    »Hat sich drüben in Whitehall jemand danebenbenommen?« scherzte der Labortechniker. Preston schüttelte den Kopf.
    »Nein. Nur dumm und nachlässig«, log er. »Das Zeug hätte in den Reißwolf gehört, nicht in den Papierkorb. Das Karnickel wird ganz schön was auf die Pfoten kriegen, wenn wir die Pfoten identifizieren können.«
    Der Labortechniker verlor das Interesse. Als er fertig war, schüttelte er den Kopf.
    »Nichts«, sagte er, »rein wie frischgefallener Schnee. Aber etwas kann ich Ihnen sagen. Die Papiere sind abgewischt worden. Eine Garnitur Abdrücke ist natürlich drauf, vermutlich Ihre.«
    Preston nickte. Es ging den Mann nichts an, daß diese Garnitur Abdrücke von Brigadegeneral Capstick stammte.
    »Das ist der springende Punkt«, sagte der Labortechniker. »Dieses Papier nimmt Fingerabdrücke fabelhaft an und hält sie wochenlang, vielleicht Monate. Es müßte mindestens noch eine zweite Garnitur drauf sein, vermutlich sogar mehrere. Zum Beispiel von der Bürokraft, die

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