Das wahre Wesen der Dinge (German Edition)
hat seine Datei aus der Datenbank der Arzneimittelbehörde gelöscht, bevor ich Zugang hatte, und die Benutzerkonten seiner Ärzte mit gefälschten Eingaben gefüttert, damit sie es nicht bemerkten. Genau wie ich hat er eine weitere Ampulle des Hormons gestohlen, wir beide waren der Grund, warum die Arzneimittelbehörde ihre Daten vom Netz genommen hat. Er ist untergetaucht und hat denselben Level erreicht wie ich.
Er muss mich an dem Muster erkannt haben, nach dem ich unter meinen Tarnidentitäten an der Börse investiert habe. Dafür muss er über einen hyperkritischen Geist verfügen. Als höher entwickelter Mensch war er imstande, schnelle und genau kalkulierte Veränderungen auszulösen, die zu meinen Verlusten geführt und meine Aufmerksamkeit geweckt haben.
Ich schaue auf verschiedenen Börsenportalen die Kurse nach; die Zahlen auf meiner Liste sind korrekt, mein Gegenspieler hat also nicht einfach nur die Beträge auf meinem Account geändert. Nur um ein Wort zu bilden, hat er die Aktiengeschäfte fünf verschiedener Konzerne manipuliert. Vermutlich hat seine Behandlung vor meiner begonnen, was bedeutet, dass er mir voraus ist. Aber wie groß ist der Vorsprung? Ich mache eine Hochrechnung. Sobald ich mehr Informationen habe, werde ich sie in die Rechnung integrieren.
Die wichtigste Frage lautet: Ist er Freund oder Feind? War das hier nur eine wohlmeinende Demonstration seiner Fähigkeiten oder eher ein Hinweis darauf, dass er mich zugrunde richten will? Die erlittenen Verluste sind moderat – steckt darin Sorge um mein Wohlergehen oder eher um das der Firmen, die er dafür manipulieren musste? Bedenkt man, auf welch harmlose Art und Weise er meine Aufmerksamkeit auch hätte erregen können, muss ich davon ausgehen, dass er mir zumindest teilweise feindlich gesonnen ist.
Und das bedeutet, dass ich in Gefahr und angreifbar bin, sei es durch einen weiteren Streich oder eine tödliche Attacke. Als erste Vorsichtsmaßnahme werde ich sofort abreisen. Hätte ich es mit blanker Feindseligkeit zu tun, wäre ich mit Sicherheit schon tot. Dass er mir eine Botschaft schickt, bedeutet, dass er mit mir spielen möchte. Als Erstes muss ich also wieder mit ihm gleichziehen: meinen Aufenthaltsort verbergen, herausfinden, wer er ist, und dann Kontakt aufnehmen.
Willkürlich wähle ich eine Stadt aus: Memphis. Ich schalte den Bildschirm aus, ziehe mich an, packe eine Reisetasche und nehme alles Geld mit, das ich für den Notfall in der Wohnung aufbewahre.
Nach meiner Ankunft in einem Hotel in Memphis mache ich mich am Computerterminal der Suite an die Arbeit. Als Erstes leite ich meine Aktivitäten über diverse Computer, um von meiner Person abzulenken. Falls die Polizei meine Spuren verfolgt, wird es so aussehen, als kämen meine Abfragen von mehreren Terminals in unterschiedlichen Orten in ganz Utah. Ein militärischer Geheimdienst wäre vielleicht in der Lage, sie zu einem Terminal in Houston zurückzuverfolgen; der Spur nach Memphis zu folgen, wäre aber selbst für mich eine harte Nuss. Ein von mir installiertes Programm im Terminal in Houston wird mich warnen, falls mich jemand bis dorthin verfolgt hat.
Wie viele Hinweise, die zu seiner Person führen, hat mein Zwilling beseitigt? Da mir keine der Dateien der Arzneimittelbehörde zur Verfügung stehen, werde ich mit den Daten von Kurierdiensten in den verschiedensten Städten beginnen und nach Lieferungen der Behörde an Krankenhäuser während der Hormon-K-Studie suchen. Anschließend werde ich überprüfen, welche Patienten mit Hirnschaden es damals an den Kliniken gab. Das verschafft mir eine gewisse Ausgangsbasis.
Aber selbst wenn ich hier fündig werden sollte, wird es nicht viel helfen. Entscheidend wird die Untersuchung der Börsenmuster sein, um die Spuren eines erweiterten Geistes auszumachen. Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen.
Sein Name ist Reynolds. Ursprünglich stammt er aus Phoenix, und seine anfänglichen Fortschritte sind den meinen sehr ähnlich. Die dritte Injektion hat er vor sechs Monaten und vier Tagen erhalten, was ihm einen Vorsprung von fünfzehn Tagen verschafft. Er wartet darauf, dass ich ihn finde. Nach meiner Schätzung ist er seit zwölf Tagen im hyperkritischen Stadium – doppelt so lange wie ich.
Ich erkenne jetzt seine Handschrift im Muster der Börsenbewegungen; Reynolds zu finden, erweist sich jedoch als herkulische Aufgabe. Über das Datanet durchsuche ich die Logfiles, um die von ihm gehackten Benutzeraccounts zu
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