Das waren schöne Zeiten
Grundstück gewählt, weil es direkt neben der Straße lag. Diese Straße führte ausschließlich zu unserem Haus. Sie zweigte von der Pekanui Road ab und schien direkt in den Busch hineinzuführen, was ihr einen merkwürdig privaten Anstrich gab, der uns sehr zustatten kam. Andere empfanden es weit weniger angenehm. Dabei muß ich an eine Tante von Walter denken, die eines Tages mit Wagen plus Chauffeur ankam, ausstieg, sich mit einem Ausdruck tiefster Verärgerung umsah und dann empört fragte: »Wie in aller Welt hast du nur solch einen Platz gefunden, Walter? Und warum, um Himmels willen?«
Die Farm stellte uns vor eine ganze Reihe von Problemen. Die Weiden, die heute so sauber und gepflegt sind, waren hoch mit Farn überwuchert, der den Pferden über den Rücken strich, wenn wir durchritten. Drunten am Ngutunui-Fluß, der durch die Farm lief, standen die Blaubeerbüsche so hoch, daß mein Pferd einmal für eine ganze Weile den Weg verlor und nicht mehr herausfand. Ein Berg von schwerer Arbeit war zu bewältigen, bis die Farm halbwegs in Ordnung kam. Sogar heute noch ist es Land, das sorgfältigste Bearbeitung jedes Zolls Boden verlangt. Vernachlässigung rächt sich sofort.
Es war eine enorm schwierige Aufgabe für einen Mann, der kein Bargeld besaß, dafür aber eine Familie, für die er sorgen mußte. Die Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre lag vor uns, und wir hatten keinen Spargroschen, auf den wir hätten zurückgreifen können. Aber Walter schuftete weiter, rodete, säte, ackerte, richtete umgefallene Zäune wieder auf, weidete mit Umsicht und Verstand seine Herden auf dem wiedergewonnenen Land, um es zu halten. Schwerste, erschöpfende Arbeit für viele Jahre.
Für die Kinder war es ein neues und aufregendes Leben. Die beiden größeren gingen sofort in die Ngutumui-Schule. Sie bestand nur aus einem kleinen Anbau am Straßenrand, welcher 1913 in gemeinsamer Arbeit von den Siedlern errichtet worden war. Kürzlich feierte die Schule ihr Jubiläum in einem super-modernen Gebäude auf einem weitläufigen Gelände an der Kreuzung der Kawhia-Pekanui Road. Heute gehören ein wunderbarer Swimming-Pool, ein ausgezeichneter Tennisplatz und ein komfortables Haus für den Schulleiter dazu.
1927, als wir die Ngutunui-Farm bezogen, war die Schule noch sehr primitiv; es gab nicht einmal Platz zum Spielen für die Kinder. Lediglich an der Rückseite war ein kleiner Schuppen angebaut, in dem die Kinder an regnerischen Tagen ihre Pausebrote essen konnten. Das Schulhaus selbst hatte eine unselige Neigung, bei jedem einigermaßen heftigen Regenfall unter Wasser zu stehen. Die Kinder liebten sie ob dieses Nachteils nur um so mehr, weil sie, sobald es nur stark genug regnete, einfach heimgeschickt werden mußten.
Immerhin, es war ein Schule. Jemand anders genoß nun das Privileg, unsere Kinder zu unterrichten, und gleich wichtig war uns, daß sie nun endlich lernten, mit anderen Kindern zusammenzusein. Auf Strathallan hatten sie nur sehr selten andere Menschen als die ihrer eigenen Familie zu sehen bekommen. An diesem ersten Schultag begleitete ich meine beiden Älteren, nicht ganz ohne ein Gefühl des Badauerns, aber mit noch viel mehr Erleichterung, auf ihrem Schulweg. Wenigstens würden sie nun die Chance haben, ein normales Leben zu führen.
Selbstredend waren sie gute Reiter, denn sie hatten alle reiten gelernt, sobald sie laufen konnten. Der Zwei-Meilen-Ritt zur Schule machte ihnen deshalb nichts aus. In einem Leben wie dem ihren war das die einzige Möglichkeit herumzukommen. Glücklicherweise gehörte Reiten auch immer zu ihren bevorzugtesten Vergnügungen. Sie mußten unabhängig und wendig sein und verstehen, mit Tieren umzugehen. Stuart war bereits eine echte Hilfe beim Ausmustern, und einen Schlitten kutschieren konnte er schon in einem Alter, in dem die meisten Kinder noch hinter einem Erwachsenen auf dem Pferd sitzen. Er erinnert sich daran, daß er, kaum älter als sechs Jahre, furchtbar gern lernen wollte, wie man mit zwei Pferden kutschiert. Sein Vater bestand darauf, daß ihm erlaubt werden sollte, es zu versuchen, und saß mit bewundernswerter Selbstbeherrschung neben ihm, während er die kurvenreiche Okupata Road hinunterfuhr. Es ist gewiß nicht verwunderlich, daß er schließlich mit einem Rad über die Böschung kam, wenn auch nichts dabei passierte. Nach Jahren erst erzählte er mir, daß der einzige Kommentar seines Vaters dazu war: »Von einem Jungen deines Alters hätte ich eigentlich mehr
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