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Das waren schöne Zeiten

Das waren schöne Zeiten

Titel: Das waren schöne Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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verschwand. Es spielte keine entscheidende Rolle, denn ich hatte diesen Posten wegen der Wohnung angenommen; allein darauf kam es uns an. Wichtiger als jede Gehaltserhöhung war für mich, daß sich im zweiten Jahr meiner Tätigkeit dort eine junge Freundin großzügigerweise erbot, an Samstagvormittagen meinen Dienst in der Bibliothek zu übernehmen, damit wir schon am Freitagabend heimfahren konnten.
    Trotz der Hetzerei würde ich nicht gern auf diese Erfahrung verzichtet haben. Ich lernte eine ganze Menge; nicht nur über Bücher und Autoren, sondern auch über den Umgang mit Menschen, und ich schloß Freundschaften fürs Leben. Auch wurde eines der Mädchen aus dem Freundinnen-Quartett zehn Jahre später meine Schwiegertochter. Das allein hätte dieses Zwischenspiel gelohnt.
    Da die Bibliothek das jüngste Schoßkind des Stadtrates war, kam ich natürlich viel in Kontakt mit der Stadtverwaltung. Ich brauchte nur eine Wiese zu überqueren, um mit all meinen Schwierigkeiten zum Stadtsekretär und seiner Assistentin zu flüchten. Ich hatte Glück, daß ich mich so frei an Dudley Bockett und Anne Hawke wenden konnte, denn sie waren nicht nur gute Freunde, sondern auch vernünftige und unvoreingenommene Ratgeber. Mr. Bockett war einer dieser Typen, wie man sie manchmal in Landstädten findet. Er kannte jedermann, beriet alle, wußte zu schweigen und beherrschte sämtliche Einwohner. Als meine kleine Tochter in der Schule gefragt wurde: Wer ist der wichtigste Mann in dieser Stadt?« antwortete sie sehr richtig: »Der Bürgermeister; aber in Wirklichkeit Mr. Bockett.«
    Seine Assistentin, Anne Hawke, war ein durch und durch echter Charakter, voller Humor, weise, tolerant und immer gütig. Sie hegte wenig Illusionen. Ich erinnere mich, wie ich nach meinem ersten Tag in der Bibliothek in ihr Büro gestürzt kam und voller Empörung berichtete: »Da kam doch ein junger Mann herein und begann mit dem Hut auf dem Kopf, Zigarette im Mund, mit mir zu reden!« Schweigen, während der Stadtsekretär und seine Assistentin einen amüsierten Blick tauschten. Dann meinte Anne trocken: »Sie werden noch einiges über das britische Publikum zu lernen haben.«
    Weiß Gott, das hatte ich. Doch ich glaube, ich lernte es, und zum großen Teil verdanke ich das den selbstlosen, humorvollen und immer vernünftigen Ratschlägen, die ich in diesem Büro erhielt.
    Ganz anders, aber aus meiner Sicht ebenso anregend, war der Mann, welcher das Amt des Sekretärs des Bibliothek-Komitees während der Jahre, die ich dort arbeitete, versah. Mr. MacCurdy wäre an jedem Ort ein seltener Mensch gewesen, doch in dieser Umgebung wirkte er außergewöhnlich. Er war einer der gutaussehendsten Männer, die ich kannte, mit schwarzen Augen, einem kurzen Bart, 1,87 m groß, aufrecht wie ein Ladestock; ein echter Hochländer, mit einer profunden Kenntnis der Bibel und Shakespeares und einem einmaligen Sinn für Humor, der allerdings manchmal mit ihm durchging. Er war wirklich ein äußerst gutherziger Mann, aber konnte nur schlecht Narren um sich vertragen. Seine beißenden Einwürfe während der Sitzungen eines übervorsichtigen Komitees mußte man gehört haben, um sie zu glauben — und sie waren sehr weit zu hören. Mir gegenüber jedoch verhielt er sich immer mitfühlend und verständnisvoll; und seine Frau wurde eine meiner liebsten Freundinnen. Ihr Haus stellte für mich zu allen Stunden eine Zuflucht dar, wenn Streit den Frieden der Bibliothek zu brechen drohte oder wenn es irgendeinen großartigen Witz zu belachen gab, den ich sonst mit niemand als mit ihnen und den beiden im Büro der Stadtverwaltung teilen durfte.
    Trotz der dauernden Zeitnot waren es, alles in allem, angenehme Tage. Die Bibliothek war ein kleiner und gemütlicher Raum. Ich lernte meine Abonnenten mit der Zeit gut kennen und erfuhr von ihnen wirklich nur Freundlichkeit und Entgegenkommen. Es war nur natürlich, daß sie von mir erwarteten, über ihre verschiedenen Wünsche Bescheid zu wissen. Glücklicherweise tat ich das auch; doch was mir schwerfiel, war, mich an sie selbst zu erinnern, denn ich hatte niemals das Talent besessen, mir Gesichter und Namen zu merken. Aus diesem Grund pflegte ich auf den Karten unserer Abonnentenkartei Geheimnotizen zu machen wie: >Sehr blaue Augen<, oder >ziemlich dick<, oder >pompöses Auftreten<. Diese Notizen halfen mir, aber hätten leicht jegliche Beliebtheit, die ich besaß, zerstören können.
    Ich lernte außerdem, niemals den literarischen

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