Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
Jacketts besaß und immer eines zum Wechseln dabeihatte, fiel niemandem auf, dass er sich umgezogen hatte.
Mit Oberstaatsanwalt Mortimer Deloitte hatten sie abgestimmt, die Umstände der Erschießung O’Neills nicht weiter zu vertiefen, solange die Verteidigung nicht darauf bestand. Und dafür hatten sie gründlich gesorgt, auf der Seite der Verteidigung flossen die Schmiergelder genau wie auf der Seite der Anklage. Des Weiteren wurden belastende Spuren beseitigt, wie zum Beispiel das Wasserglas auf Marvin Gallegos’ Video und jegliche Hinweise auf den falschen FBI-Agenten Blake Wunderlich. Die Anklage gegen Curtis war ein teuflisches Machwerk. Als dann der Prozess überstanden war und das Washington-Dekret das Land ins Chaos stürzte, verschwanden diverse wichtige Personen, die am Prozess beteiligt waren, und es ging in der allgemeinen Verwirrung unter. Niemand durfte übrig bleiben, der auch nur ansatzweise ein Risiko darstellte, diese schmutzige Affäre je mit dem zukünftigen amerikanischen Präsidenten Thomas Sunderland in Verbindung zu bringen.
Nach dem Attentat verlief alles nach Plan. Jansen wurde als Präsident vereidigt. Sunderlands nächster Schachzug sah vor, Jansen psychisch unter Druck zu setzen und Vizepräsident Lerner aus dem Amt zu drängen. An Letzterem arbeiteten Sunderland und Kane von dem Tag an, an dem Jansen Lerner ausgesucht hatte, denn der routinierte Politiker Lerner konnte leicht zu einer Bedrohung werden.
Wenn sie sich Lerners erst entledigt hätten, würden sie als Nächstes Jansen ausschalten müssen. Der half dabei nach Kräften mit. Schon in der Zeit zwischen der Wahl und der Vereidigung konnte Sunderland beobachten, wie Jansen sich veränderte. Er zog sich immer mehr zurück, schlief kaum. Reagierte impulsiv und verwirrte damit seine Mitmenschen. Saß unbeweglich und zerstreut vor dem Computer. Jansen entpuppte sich als labil und düster, auch wenn man ihm bei öffentlichen Auftritten lange Zeit nichts anmerkte. Dennoch: Die Trauer hatte den Präsidenten bis zur Handlungsunfähigkeit im Griff. Zur gegebenen Zeit würde man nur noch auf einen Knopf drücken müssen – das jedenfalls war Sunderlands Eindruck vom Zustand des Präsidenten.
Entsprechend groß war der Schock für ihn, als Jansen vierzehn Tage nach Amtsantritt sein Law-and-Order-Programm vorlegte. Bis ins Mark erschüttert war er an jenem Abend nach Hause gefahren und hatte das Dossier in der Nacht mindestens zehn Mal durchgelesen. Bis er schließlich die Vorteile dieses Entwurfs entdeckte.
Sunderland wurde klar, dass auch der Ausweg aus dieser Situation wieder einmal direkt vor ihm lag – wenn er nur richtig hinsah. Fakt war, dass Jansen es vermocht hatte, sich über seine Trauer zu erheben. Der Entwurf bot an keiner Stelle einen Hinweis darauf, dass sein Verfasser ein gebrochener Mann war, nicht in der Lage, sein Amt wahrzunehmen. Anscheinend war sogar das Gegenteil der Fall: Präsident Jansen tat, was schon viele vor ihm hätten tun sollen.
In jener Nacht Anfang Februar stand Thomas wieder auf, ging ins Wohnzimmer und schenkte sich einen Whisky ein. Welch düsteres, wunderbares Schauspiel! Bei genauem Hinsehen boten sich ihm jetzt noch ganz andere Möglichkeiten. Gut, es würden einige Köpfe rollen, aber das war ohnehin einkalkuliert.
Er schaltete den Fernseher ein. Wieder wurde über den Dachmörder von New York berichtet. Bilder von den Tatorten, Großaufnahmen von leeren Patronenhülsen und kurze Interviews mit verängstigt nach oben sehenden Anwohnern. Solche Nachrichten versetzten die Menschen in Angst und Schrecken, ließen sie nach härteren Maßnahmen verlangen.
Sunderland sah mit immer breiter werdendem Lächeln zu. Gut für Jansen, dachte er, aber noch viel besser für mich. Man hätte fast glauben können, der Dachmörder sei vom Weißen Haus oder gar von Jansen selbst inszeniert worden. Er leerte sein Glas. Nein, so etwas würde Jansen nie einfallen. Selbst im gegenwärtigen Zustand nicht. Sunderland lachte laut auf. Jansen nicht, aber vielleicht seinem Stabschef?
Sunderland schenkte sich noch einen Whisky ein, trank ihn in einem Zug und füllte das Glas abermals auf. Als Jansen sein Kabinett zusammenstellte, hatte er das getan, ohne sich mit Sunderland zu beraten, was ihn als den zukünftigen Stabschef des Weißen Hauses und langjährigen Vertrauten befremdete. Damals war er richtig sauer gewesen, aber jetzt verstand er. Jansen hatte einen Plan gehabt, als er seine Minister aussuchte, und den
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