Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
nach meiner Lektüre herauskommt. Für die Abstimmung ist es wohl noch etwas zeitig, scheint mir, aber gut, jeder ist aufgerufen zu sagen, was er will. Hauptsache, Sie denken daran, dass wir uns morgen unter allen Umständen wieder treffen, um die Vorlage mit dem Präsidenten zu diskutieren – egal, wie die Abstimmung jetzt ausgeht.«
Hier unterbrach ihn Justizminister Lovell. »Ich frage michdie ganze Zeit, warum dieser Vorstoß gerade jetzt kommt. Warum müssen alle anderen Aufgaben deshalb zurückstehen? Hat das vielleicht doch etwas mit dem Prozess gegen Bud Curtis zu tun? Wäre es denkbar, dass der Präsident die Diskussion anstoßen will, ehe Curtis in die Berufung geht und ihm dadurch wieder vermehrt Aufmerksamkeit zuteil wird?«
Sunderland holte tief Luft. »Stephen, diese Dinge sind für immer miteinander verknüpft. Auch wenn wir den Vorschlag erst in drei Jahren auf den Weg bringen, wird man sie miteinander in Verbindung bringen. Der dreckige Mörder wird immer im Hintergrund spuken.«
Lovell schüttelte den Kopf. »Selbstverständlich werden der Mordprozess und Jansens Vorschlag miteinander in Verbindung gebracht. Aber vielleicht lebt der Präsident ja in dem Glauben, das sei anders, wenn er den Vorschlag nur möglichst offen vorbringt. Vielleicht ist ihm sein Gespür für Situationen verloren gegangen und auch ein Stück Urteilskraft.«
»Die Menschen werden den Eindruck haben, dass er total verrückt geworden ist«, ergänzte Donald Beglaubter.
So direkt wäre Wesley mit Sicherheit nicht geworden, aber er war der gleichen Ansicht wie Donald.
»Verrückt oder nicht, wir sollten abstimmen, wie es der Verteidigungsminister vorschlägt«, schaltete sich Lance Burton ein und sah in die Runde. Alle nickten zustimmend, bis auf Sunderland. »Wer ist dagegen, den Vorschlag des Präsidenten weiter zu behandeln?«
Nur Sunderland hob den Arm nicht. Er sah hinüber zu Billy Johnson. »Aha, Billy, Sie sind also auch dagegen? Ihren Kommentar zu der Sache haben wir noch gar nicht gehört.«
Der Chef des Ministeriums für Innere Sicherheit, das Präsident Bush nach dem Angriff auf das World Trade Center eingerichtet hatte, überlegte einen Moment. Er war groß und wirkte kraftvoll, aber sein Äußeres täuschte. Zwar hatte er viel Unangenehmes erlebt, aber er war von Jansens Ministernder besonnenste. Er war intelligent und vielseitig begabt, und Wesley hegte größten Respekt für ihn.
»Ich glaube«, sagte er schließlich mit leiser Stimme, »ich glaube, wir können nicht davor die Augen verschließen, dass man eines Tages nicht umhinkommen wird, etwas in der jetzt vom Präsidenten vorgeschlagenen Art zu tun. Aber gleichzeitig muss ich sagen, dass ich mir von ganzem Herzen wünsche, niemals eine solche gesellschaftliche Entwicklung erleben zu müssen, wie der Präsident sie skizziert. Dass es erst viele Generationen nach mir dazu kommen wird. Gewiss wurde mein Ministerium mit innen- und außenpolitischen Aufgaben ausgestattet, aber entstanden ist es letztendlich ausschließlich als Folge des Angriffs auf das World Trade Center, als Schutz gegen totalitäre Systeme. Deshalb kann ich mir auch nicht vorstellen, dass ich mich bereiterklären würde, in meinem Ministerium dieselben kompromisslosen Methoden anzuwenden wie unsere Feinde – «
»Entschuldigen Sie, wenn ich das sage, Billy«, unterbrach ihn Sunderland. »Aber ein Mitglied Ihrer eigenen Familie ist Opfer eines Gewaltverbrechens geworden. Mit diesen Gesetzen würde Ihr Sohn vielleicht noch leben.«
Der große Mann sah lange schweigend zu Boden. »Glauben Sie denn, dass ich nicht daran denke, Thomas? Ich denke kaum an etwas anderes.«
Es wurde eine lange Nacht für Wesley, und weder CNN noch der Playboy Channel noch die Frau, die er in seinem Stammlokal unten im Haus aufgegabelt hatte, vermochten ihn abzulenken. Das morgige Treffen kam ihm vor wie ein Examen, das man unmöglich bestehen konnte.
Mitten in der Nacht schrak er am ganzen Leib zitternd auf. Er sah einen Moment auf die schlafende, nackte Fremde neben sich – ihre Gegenwart konnte ihn nicht beruhigen. Er überlegte, ob er seinen Vater anrufen sollte. Der war klug undwürde ihm den richtigen Rat geben. Vermutlich war er halbtot vor Müdigkeit und würde ihn anknurren und fluchen, aber er würde zuhören und ihm dann raten, seinen Job unverzüglich zu kündigen. Das zumindest hoffte Wesley. Er hatte schon den Hörer in die Hand genommen, legte dann aber leise wieder auf. ›Allerhöchste
Weitere Kostenlose Bücher