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Das Weisse Kleid Des Todes

Das Weisse Kleid Des Todes

Titel: Das Weisse Kleid Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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ich könnte Ihnen helfen, sich alles von der Seele zu reden«, sagte sie. »Hätte nicht damit gerechnet, selbst die Redselige zu sein.«
    Er legte einen Arm über die Rückenlehne. »Wäre es Ihnen peinlich, wenn ich sage, ich bewundere Sie? Ihre Art, wie Sie Leuten zuhören, und Ihre Hilfsbereitschaft.«
    Sie lächelte. »Ja, das wäre es. Aber danke für alles. Wissen Sie, Sie haben Recht. Ich brauche wirklich einen Freund.« Sie sah ihm ernst ins Gesicht. »Vielen Dank, dass Sie mich einfach Clare sein lassen und nicht Reverend Fergusson. Es ist lange her, seit ich – Man trifft eben selten jemanden, bei dem man einfach man selbst sein kann. Ganz und gar.«
    Russ lag ein Witz auf der Zunge – dann solle sie sich öfter mit Atheisten rumtreiben –, aber er konnte ihn nicht aussprechen, nicht, wenn sie ihn so ansah. Unfähig, ihr in die Augen zu schauen, glitt sein Blick aufs Armaturenbrett. »Gute Nacht. Clare.«
    »Gute Nacht, Russ.« Sie öffnete die Fahrerkabine und rutschte hinaus.
    »Clare –«, sagte er. Ihre Hand auf dem Türgriff, hielt sie noch einmal inne. Schnee wirbelte um sie herum und auf den leeren Sitz. Ihre Haare, mit federleichten Flocken gepudert, bewegten sich im Wind.
    »Nichts«, sagte Russ. »Reden wir morgen.« Er wartete, bis sie in ihrer Küche war, dann legte er den Gang ein. Sie winkte ihm vom Fenster zu. Er fuhr aus ihrer schneeverwehten Einfahrt hinaus und preschte viel schneller als erlaubt vom Pfarrhaus davon.

17
    E inen Karton voll Weihnachtsfähnchen auf ihre Hüfte gestützt, blieb Clare vor dem Anschlagbrett im Pfarrzentrum stehen. Sie hatte sich, noch immer erschöpft von der letzten Nacht, am Morgen an die mühselige, stupide Aufgabe gemacht, den Weihnachtsschmuck aus dem Keller der Kirche heraufzutragen. Die Fotos ihrer Gemeindemitglieder im Sonntagsanzug standen im Gegensatz zu ihrem eigenen zerknitterten und verstaubten Aussehen und riefen ihr ins Gedächtnis, dass sie sich waschen und umziehen müsste, um vorzeigbar zu sein. Das Bild der Burns sprang ihr ins Auge. Geoff und Karen wirkten darauf so glücklich, so entspannt – mit jener wohl genährten Zufriedenheit, die ein dickes Finanzpolster seinem Besitzer verschafft.
    Trotz Geoffs Zorn und Karens Verzweiflung konnte Clare immer noch nicht glauben, dass die Sehnsucht nach einem Kind die beiden jemals zu einem Mord treiben würde. Im Krankenhaus hatte sie die beiden mit dem Baby gesehen, die Liebe und Zärtlichkeit, die normalerweise in ihrem lautstarken, medienwirksamen Auftreten untergingen. Aber zu zweit, innerhalb ihrer eigenen kleinen Welt, hatten sie eine sanfte, teilnahmsvolle Art.
    Clare kam der Gedanke, dass sie das Kind vielleicht dazu brauchten, um einem anderen menschlichen Wesen diese Seite von sich zu zeigen.
    »Reverend Clare?«, unterbrach Lois’ Stimme ihre Gedanken. Clare hievte den Karton höher und ging ins Büro der Pfarrsekretärin.
    »Ein paar Nachrichten für Sie«, sagte Lois. »Karen Burns hat angerufen und Mr. Feltons Tochter. Sie möchte, dass Sie Ihren Besuch verschieben, weil er zu einigen Untersuchungen fährt und erst morgen aus dem Pflegeheim zurückkommt.«
    »Etwas Ernstes?«
    »Sie klang nicht allzu besorgt. Die letzte Nachricht war von Kristen McWhorter. Ist das eine Verwandte der –«
    »Ihre Schwester. Was wollte sie?«
    »Sie möchte ihre Mutter besuchen und ob Sie vielleicht Lust hätten, mitzukommen.« Lois schob die rosa Merkzettel über den Schreibtisch. »Das ist ihre Nummer.«
    »Danke.« Clare stellte den Karton an die Wand und nahm die Notizen. »Sagen Sie, Lois, Sie kennen nicht zufällig jemanden, der die Schimmelflecken aus diesen Filzfähnchen rausbekommen könnte?«
    Die Pfarrsekretärin schnupperte ein paar Mal. »Ah, daher der Geruch.« Sie legte den Kopf schief, sodass ihr perfekt geschnittener Pony zur Seite schwang. »Da sind Sie genau an der richtigen Adresse. Nicht dass ich je mit Schimmel zu tun hatte, wohlgemerkt, aber ich kenne die beste chemische Reinigung im Dreigemeinden-Bezirk.«
    »Irgendwie hab ich das gewusst.«
    In ihrem Arbeitszimmer ließ sich Clare in ihren Sessel fallen. Sie nahm zwei der rosafarbenen Zettel und hielt sie hoch, einen in jeder Hand, so als wollte sie Karen Burns gegen Kristen McWhorter abwägen.
    Sie schaute auf das rautenförmige Stück Himmel in ihrem Fensterrahmen und sehnte sich nach einem vierstündigen Nickerchen, dann unter die Dusche und den Geruch schimmliger alter Kartons abwaschen, danach unter die

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