Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das weiße Mädchen

Das weiße Mädchen

Titel: Das weiße Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
diesem Unsinn in Ruhe. Kümmere dich lieber darum, dass du dir in Zukunft keinen Ärger mehr einhandelst!«
    »Was soll ich denn deiner Meinung nach tun?«
    » Gar nichts
sollst du tun!«, brauste Heimberger abermalsauf. »Kapier das endlich! Verhalte dich still, kümmere dich um deinen Hof und komm dieser Reporterin nicht mehr in die Quere. Ich werde mir inzwischen etwas einfallen lassen, damit sie Verchow endgültig verlässt. In den sechs Tagen, seit sie hier ist, hat sie mehr als genug Staub aufgewirbelt.«
    »Wie willst du das machen?«
    »Das lass mal meine Sorge sein.« Schritte waren zu hören, eine Tür wurde geöffnet. Offenbar wandte sich Heimberger zum Gehen. »Und sprich mit niemandem über die Angelegenheit, verstanden? Auch nicht mit deiner Frau!«
    »Da mach dir mal keine Sorgen«, entgegnete Gätner sarkastisch. »Die redet schon lange nicht mehr mit mir.«
    Wieder ging die Tür. Lea, die damit rechnete, Heimberger gleich im Hof auftauchen zu sehen, verließ rasch ihren Horchposten und huschte zum Zaun zurück.
    Sieh mal an – es ist genau, wie ich vermutet habe,
dachte sie, als sie zu dem Kiesweg zurückpirschte, der zur Straße führte.
Eine kleine, verschworene Gemeinschaft der gehörnten Gatten.
     
    Als Lea nach Hause zurückgekehrt war, ließ sie sich auf das Sofa sinken und ordnete ihre Gedanken. Stunden vergingen, während sie mit geschlossenen Augen grübelte.
    Was sie gehört hatte, bestätigte jenen Verdacht, den sie erstmals bei Mara Heimbergers Besuch gehegt hatte. Die betrogenen Ehemänner hatten sich zusammengetan und eine Intrige zur Vertreibung der Herforths geschmiedet. Gätner hatte zusammen mit dem Tierarzt Frank Terhart die Katzenseuche in Umlauf gebracht, und der Ortsvorsteher hatte die beiden gedeckt. Das warf ein ganz neues Licht auf das Schicksal Christines und nahm den Verdacht einstweilen von dem verschollenen Sohn der Zirners. DieIntrige war gescheitert, und es schien nicht ausgeschlossen, dass einer der Verschwörer daraufhin zu noch drastischeren Mitteln gegriffen hatte, um sich an Martin Herforth zu rächen. Und nun brachte sie – Lea – die einstigen Verschwörer in Bedrängnis. Das war der Grund, warum man sie bedrohte.
    Seltsamerweise beruhigte Lea diese Erkenntnis: Gätner war vielleicht ein unangenehmer Zeitgenosse, aber ganz sicher kein Mörder. Seine Drohung, dass ihrem Sohn etwas zustoßen könnte, war lediglich ein plumper Versuch gewesen, sie einzuschüchtern. Harald Heimberger konnte sie sich ebenso wenig als Mörder vorstellen: Der Ortsvorsteher ließ sich viel zu wenig von Gefühlen leiten. Auch vor der Ankündigung, sie zu vertreiben, hatte Lea keine Angst – seinem Naturell entsprechend, würde Heimberger vermutlich eher einen Grund suchen, um sie zu verklagen, statt ihr Drohbriefe zu schicken oder ihr Auto zu demolieren.
    Interessant waren allenfalls die Hinweise auf den Tierarzt Frank Terhart und auf Arnold Heckenkamp. War das die Lösung des Rätsels? Hatte einer der betrogenen Ehemänner Christine umgebracht, um es Martin Herforth heimzuzahlen? Und wenn es so war – welche Rolle spielte bei alldem der rätselhafte Bewohner des Herforth-Hauses?
    Tom Thanatar   … Was weißt du über Christines Tod? Was hast du gesehen? Oder vielleicht nicht gesehen, sondern gehört?
    Schlagartig öffnete Lea die Augen. Hastig kramte sie ihren Laptop hervor, schaltete ihn ein und öffnete die Dateien mit den Thanatar-Comics, die David ihr geschickt hatte.
Dichotomia:
Vergrabene Schädel unter der Erde schrien mit klaffenden Kiefern zu einem Mann hinauf, der das Ohr an den Erdboden legte.
Spectra:
Tote erwachten in ihren Särgen, schoben die Deckel auf und streckten dieKöpfe hervor, stets mit weit aufgerissenem Mund, sodass man trotz fehlender Sprechblasen ihre Schreie zu hören meinte.
Sepulchra:
Ein Mädchen, das in einem Verlies unter der Erde gefangen war – und verzweifelt schrie, während an der Oberfläche gleichgültige Gestalten umherschlenderten.
    »Schreiende Gräber«
– Lea erinnerte sich an den Titel im Fan-Forum des Zeichners –
»Das Motiv des Lebendig-Begraben-Werdens bei Tom Thanatar.«
    Und endlich begriff sie.
     
    Er hat ihre Stimme gehört – das ist es! Er war bei dem verfallenen Haus im Wald, nachdem Christine verschwunden war, und hörte ihre Schreie – buchstäblich aus dem Boden vor seinen Füßen. Damals kann er nicht älter als sie gewesen sein, noch ein halbes Kind. Vielleicht traute er seiner Wahrnehmung nicht, vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher