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Das weiße Mädchen

Das weiße Mädchen

Titel: Das weiße Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Tagebuch gefüllt hatte. Irgendeine Verbindung bestand zwischen den beiden, und wenn man von der Erblichkeit künstlerischen Talents ausging, mochten sie vielleicht wirklich zur selben Familie gehören.
    »Das würde übrigens auch erklären, wie er zu dem Hof gekommen ist«, führte Kai ihren Gedankengang fort. »Vielleicht hat er ihn geerbt.«
    »Aber dein Onkel war sicher, dass das Gut verkauftwurde«, erinnerte sich Lea. »Er hat damals Anträge des Käufers für bestimmte Umbauten auf dem Tisch gehabt.«
    »Wer immer der Kerl ist, jedenfalls ist er nicht Rudis Sohn.« Kai wandte sich zum Gehen. »Kommst du? Mehr können wir hier nicht herausfinden, und diskutieren können wir auch im Auto.«
    »Aber   …«
    »Lea! Du bist völlig überreizt. Ich glaube, ich muss dich mal wieder auf andere Gedanken bringen. Wie wär’s mit einem Spaziergang im Grünen und dem Restaurant in Groß Heide?«
     
    Lea tat ihm den Gefallen, auch wenn sie innerlich abwesend war. Sie verließen den Hof, unternahmen einen langen Spaziergang über Wiesen und Felder und kehrten schließlich gegen achtzehn Uhr in ihrem Stammlokal ein. Kai plauderte über dies und jenes, offenbar in dem Bedürfnis, Lea zu zerstreuen. Sie jedoch blieb schweigsam und in sich gekehrt. In ihrem Kopf jagten sich die Gedanken. Einmal unterbrach sie das Gespräch, um ihr Handy hervorzukramen und David anzurufen.
    «Alles in Ordnung, Mum«, beruhigte sie ihr Sohn. »Aber ich habe gerade überhaupt keine Zeit. Wir lassen hier gleich eine kleine Zimmerparty steigen.«
    Lea verabschiedete sich rasch. Als sie das Handy wegsteckte, blickte Kai sie mitleidig an.
    »Heute schaffe ich es wohl nicht mehr, dich in die Wirklichkeit zurückzuholen, oder?«
    »Tut mir leid, Kai«, sagte Lea ehrlich. »Ich bin wahrscheinlich keine sehr unterhaltsame Gesellschaft. Mein Kopf ist zu voll.«
    »Machst du dir solche Sorgen um deinen Sohn?«
    »Das auch. Außerdem grüble ich noch immer über diesen Mann auf dem Herforth-Hof. Ich halte es trotzallem nicht für ausgeschlossen, dass er dein Cousin sein könnte.«
    Kai seufzte. »Also gut, ich mache dir einen Vorschlag. Morgen ist Samstag. Ich habe Rudi schon seit längerem versprochen, dass wir einmal einen Ausflug zum Wandelgarten in Bergen machen. Das ist eine wunderschöne Gartenanlage, deren Eigentümer Führungen veranstaltet. Rudi interessiert sich für nichts mehr als für Gartenbau, aber wegen seiner Herzprobleme sitzt er nicht mehr gerne am Steuer. Ich werde ihn hinfahren, die Führung mitmachen und ihn nachher zum Essen einladen. Bei dieser Gelegenheit werde ich so taktvoll wie möglich versuchen, ihn noch einmal auf seinen Sohn anzusprechen. Vielleicht finde ich ja etwas mehr heraus, wenn Rudi guter Laune und entspannt ist. Womöglich erledigt sich dein Verdacht von selbst, wenn wir mehr über Uwe erfahren.«
    »Das ist eine gute Idee«, stimmte Lea dankbar zu.
    Kai schwieg einen Moment und musterte sie aufmerksam. »Willst du wirklich morgen abreisen?«, fragte er unvermittelt.
    »Ja, das muss ich wohl«, antwortete Lea.
    »Ich hoffe doch, wir sehen uns trotzdem wieder?«
    Lea erwiderte seinen Blick. »Das hoffe ich auch.«
    »Na dann.« Kai ergriff sein Weinglas und prostete ihr zu. »Ich bin ab nächster Woche wieder in Uelzen, und von Lüneburg aus ist es ja nicht weit. Einstweilen tröste ich mich mit der Hoffnung, dich demnächst in meiner städtischen Junggesellenwohnung empfangen zu dürfen.«
    Lea lächelte und erhob ebenfalls ihr Glas. »Ich habe noch eine ganze Woche Urlaub – und mein Sohn wird schon ein paar Tage allein klarkommen. Allerdings wäre ich gern zu Hause, wenn er am Montag von seiner Klassenfahrt zurückkommt.«
    »Natürlich. Dann komm doch am folgenden Wochenende zu mir!«
    »Gern«, sagte Lea dankbar. Schon oft hatte sie in den vergangenen Tagen darüber nachgedacht, was aus der Beziehung werden würde, wenn ihr Urlaub zu Ende ging. Kais Worte beruhigten sie, denn sie ließen erkennen, dass er die Affäre keineswegs nur als Gelegenheitsflirt betrachtete.
    »Wann willst du denn morgen losfahren?«, fragte er. »Du wartest doch hoffentlich, bis ich mit Rudi aus Bergen zurück bin?«
    »Oh   … eigentlich wollte ich nicht allzu spät zurück in Lüneburg sein. Aber wir können ja jederzeit telefonieren.«
    »Tja, wenn das so ist   …« Kai leerte sein Glas. »…   dann sollte ich mich vorsichtshalber schon heute von dir verabschieden. Wie wär’s, wenn wir den Abend gemütlich zu Hause

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