Das Wiegen der Seele (German Edition)
ie schon etwas über Bahabi herausgefunden?“ , versuchte Nettgen, vom Thema abzulenken.
„Lassen S ie mich kurz nachdenken. Ja, genau, er ist seit neuneinhalb Jahren im Amt als leitender Polizeichef in Kairo. Wurde 19 9 8 fast strafversetzt, weil er angeblich Ermittlungsergebnisse unterschlagen hatte. Die Beweise reichten aber nicht aus, man konnte ihm nichts nachweisen . “
Nettgen runzelte die Stirn. „Interessant. Ich brauche mehr Informationen. An wen kann ich mich wenden?“
„Ich gebe I hnen später telefonisch die Daten aus meinem Büro durch. Sie können sich dann auf mich berufen“, meinte Burscheidt. „Ich wünsche ihnen gute Besserung . “
„Klar, nach dieser Nachricht geht es mir schon wieder viel besser. Vielen Dank, dass sie extra vorbeigekommen sind . “
Nettgen schaute seinem Boss nach, bis er im Treppenhaus verschwunden war. Er schloss die Tür hinter sich und fühlte sich viel besser, wenn auch noch etwas matt. Er sank auf die Couch und zog sich seine Sportsocken an. Er lächelte beim Gedanken an Bahabi.
Er ging ins Bad und inspizierte sich im Spiegel.
Seine Zunge war tatsächlich stark angeschwollen und bot mit Sicherheit einen hässlichen Anblick. Er trat näher vor den Spiegel und streckte seine Zunge raus. Wahrhaftig schien es, als hätte er sich im Schlaf auf die Zunge gebissen. Dann setzte er sich wieder auf die Couch. In seinem Gehirn ratterte ein Uhrwerk los. Ihm schossen plötzlich alle Indizien und Hinweise durch den Kopf. Hochkonzentriert setzte er Ermittlungsergebnisse zusammen und versuchte Verbindungen herzustellen. Dabei berücksichtigte er sowohl zeitliche als auch räumliche Aspekte. Er machte sich Skizzen, klassifizierte alle Personen, die ihm im Zusammenhang mit den Morden untergekommen waren, und versah die einzelnen Kategorien mit Informationen, Indizien und Beweisen. Auch Maria ließ er dabei nicht aus. Dann ging er noch mal die Einzelheiten durch, die ihm von den Ritualmorden bekannt waren. Der Kreis schien sich immer mehr zu schließen, doch immer noch fehlte ihm das entscheidende Puzzlestück. Resigniert haute er auf die Tischplatte. Das konnte doch nicht wahr sein. Er hatte das Gefühl, kurz vor der Lösung zu stehen, aber irgendetwas hatte er übersehen.
Er begab er sich kurzerhand und ohne Rücksicht auf die Straßenverkehrsordnung in sein Büro. Fünfzehn Minuten später saß er an seinem Schreibtisch. Vor ihm stapelten sich Polizeiberichte und Ermittlungsakten. Zunächst setzte er sich mit den Behörden in Verbindung, die ihm Auskunft über Yassir Sebdarem und dessen Krankenhausaufenthalt übermitteln sollten. Man gab ihm zu verstehen, dass die Mühlen der Behörden sehr langsam mahlten und das s es mindesten zwei bis drei Tage dauern würde, bevor er Ergebnisse erhielte. Zähneknirschend fand sich Nettgen mit dieser Aussage ab. Er lehnte sich zurück und schloss die Augen.
Vor seinem inneren Auge sah er die Symbole und Schriften und versuchte, sie zusammen zu fügen, erfolglos. Nach einer Weile öffnete er die Augen wieder und erschrak. Er blickte geradewegs in das verwunderte Gesicht von Burscheidt. Während Nettgens Meditation hatte er auf der gegenüberliegenden Seite seines Schreibtisches den Platz eingenommen.
„Es ist nicht so wie sie denken“, meinte Nettgen verlegen. „Ich komme nicht zum Schlafen ins Büro. Ich habe noch mal nachgedacht. Ich bin mir sicher, dass wir es hier mit irgendeinem Kult zu tun haben. Alles, was wir bisher wissen, deutet genau darauf hin. Diese Morde waren nicht die Tat eines Psychopathen, dafür führen zu viele Spuren in die Vergangenheit.“
„Und was führt sie zu dieser Annahme, Nettgen?“ Burscheidt schlug die Beine übereinander und zwirbelte in seinen Haaren.
„Nun, die Hinweise an den Tatorten, die als Hieroglyphen hinterlassen wurden, schließen eindeutig auf ein Ritual, das zur Zeit der Pharaonen praktiziert wurde. Genauer gesagt, um das Wiegen der Seele .“
Burscheidt schaute Nettgen mit einer Mischung aus Frage und Zweifel an.
„Anubis, Gott der Mumifizierung und göttlicher Vermittler zwischen dem Verstorbenen und dem Totengericht im Jenseits überwachte ein Ritual, bei dem das Herz des Toten mit einer Feder aufgewogen wurde. Man nannte ihn auch: Herr der Nekropole, weil er in seiner Rolle als Wächter der Grabstätten und Führer der Toten durch das Labyrinth des Jenseits fungierte.“
Nettgen wurde während seiner Erläuterungen immer aufgedrehter.
„Verstehen S ie, Herr
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