Das Wiegen der Seele (German Edition)
ein Augenblick – hatte er das Gefühl, als ratterten zwei Gehirne in seinem Kopf, um auf einen gemeinsamen Gedanken zu kommen.
„Vielleicht will man uns eine Spur legen ...“, dachte Dietmar laut.
Nun griff er doch nach der Kaffeetasse, setzte den bematschten Becherrand an die Unterlippe und schluckte das kalte Gesöff auf ex, ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein. Löffler schluckte.
„Dietmar, fahr du noch mal zum Tatort! Denkbar, dass wir etwas übersehen haben. Versuch, zumindest eine Spur von dem Herzen zu finden. Setz dich auch noch mal mit der Gerichtsmedizin in Verbindung. Vielleicht gibt es ja doch noch einen Hinweis. Ich suche inzwischen in unserem Archiv nach einem ähnlichen Fall, obwohl ich mich im Moment an nichts Derartiges erinnern kann. Dann werde ich ein bisschen im Internet recherchieren. Werde versuchen herauszufinden, mit was für Zeichen und Symbolen wir es hier zu tun haben. Außerdem möchte ich unseren neuen Freund Skarabäus näher kennenlernen. Vielleicht hole ich mir in der Stadtbibliothek auch noch ein bisschen Lektüre.“
* * *
Es war sieben Uhr abends. Der Himmel über den Dächern war von rosaroten Streifen durchzogen, die aussahen wie die Reste von Kondensstreifen. Wolken gab es nicht. Nettgens Recherchen im Internet hatten ihn so neugierig gemacht, dass er den ganzen Nachmittag in der Stadtbibliothek verbracht hatte und sich sogar noch – entgegen seinen Gewohnheiten – dutzende von Büchern mit nach Hause nahm.
Den ganzen Tag hatte er sich den Kopf zerbrochen, was das Geheimnis des Toten war. Das bleiche Gesicht der Leiche und die Augen, die ihn starr anglotzten, gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf.
Als er von der Bibliothek heimkam, zog er sich rasch um und joggte sich dann die Arbeitswoche aus den Gliedern. Im letzten milden Tageslicht überquerte er die Alfred st ra ß e und bog in Richtung Grugapark , lief eine Runde um den Botanischen Garten und rannte nach einer weiteren Runde bis zu einem Spielplatz. Dort legte er eine kurze Verschnaufpause ein, setzte sich auf eine Schaukel und ließ seinen Gedanken freien Lauf. Dann kehrte er um und lief wieder zurück, während nach und nach die Lichter der Stadt aufleuchteten und die kühle Nacht auf ihn herabsank.
Nach einer langen, kalten Dusche ließ er sich eine gekühlte Flasche Kölsch schmecken. Es folgten noch weitere drei Flaschen.
Nun saß Nettgen auf dem Ledersofa und konnte sich trotz seiner Neugier nicht wirklich aufraffen, die mitgebrachten Bücher nach einer Spur der mysteriösen Zeichen zu durchforsten.
Er fühlte sich total ausgelaugt. Er ging zum Küchentisch, tastete nach einem Stuhl und sank darauf. Die starren Augen des Toten. Sie blickten ihn schon den ganzen Tag an. Als er ein Blatt Papier nahm und zu zeichnen begann, war er sich dessen nicht bewusst.
Der Stift schien aus eigenem Antrieb über das Papier zu fliegen. Ei n paar Minuten später kam Nettgen wieder zu sich. Er schwitzte heftig, doch er hatte keine Kopfschmerzen mehr. Vom Papier starrten ihn die Augen an, die ihn schon den ganzen Tag verfolgt hatten.
Auf dem Küchentisch stapelten sich die verschiedensten Bücher über Mythologie, Völker und Kulturen, Käfer und das alte Ägypten. Nach seinem Internet-Ausflug war Nettgen nun sicher, in einem dieser dicken Bücherschinken eine erste Spur zu finden. So machte er sich auch gleich daran, die wohl naheliegendsten Fragen zu beantworten. Er wollte alles über den Skarabäus in Erfahrung bringen.
Er las, dass der Skarabäus im alten Ägypten die Existenz symbolisiert, als Schöpfergott von Heliopolis im Aspekt der aufgehenden Sonne. Verstehen konnte Nettgen das nicht. Besser konnte er schon nachvollziehen: In der Hieroglyphenschrift stellt der Skarabäus unter anderem Chepre , den Sonnengott dar, wenn er am Morgen erscheint. Die Zuordnung dieses Symbols ist aufgrund der Analogien zwischen dem Käfer und der Sonne entstanden.
Wirklich hilfreich waren diese Informationen allerdings auch nicht.
‚ So wie es scheint ’ , dachte Nettgen, ‚ haben wir es hier mit einem sehr interessanten Fall zu tun. ’ Dann las er weiter. Interessiert und fast schon verkrampft wälzte er sich durch die ä gyptische Geschichte. Warum gerade die ihn so interessierte, wusste er nicht – vermutlich, weil er das Buch zufällig auf einer Seite aufgeschlagen hatte, auf der ein Skarabäus so abgebildet war, wie er ihn heute M orgen gesehen hatte.
Nachdem Nettgen jetzt immerhin wusste, dass der
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