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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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der zwei Tage lang nicht nach Hause gekommen war, hinter der Regentonne, die zu den Arbeiterkaten gehörte. An seinem Hals fehlten große Büschel Fell, und seine Schnurrhaare waren arg verbogen. »Du hast dich wohl wieder mal geprügelt, hm, Darling?« sagte Helen zärtlich, als sie den fauchenden Kater aus seinem Versteck holte und an sich drückte.
    Auf dem Heimweg erzählte sie Percy flüsternd von Hugh. Sie wußte, daß sie Hugh liebte; was sie für Geoffrey Lemon empfunden hatte, war nichts im Vergleich zu dem, was sie für Hugh empfand. Hugh kannte sie seit Jahren; er war einer der wenigen Männer, die sie nie einschüchternd gefunden hatte. Hugh erhob niemals im Zorn die Stimme, er war immer gleich. Er war zuverlässig in seiner Freundschaft, nie unberechenbar. Es machte ihr nichts aus, mit Hugh allein zu sein, in seiner Gesellschaft fühlte sie sich frei und wohl. Helen glaubte, daß Hugh auch sie gern hatte, wirklich gern. Er suchte ihre Gesellschaft, er hatte ihr gesagt, sie sei schön. Wieso, fragte sie sich, machte er ihr dann keinen Heiratsantrag? Sie sah natürlich ein, daß ihrer Verlobung große Hindernisse entgegenstanden: Hughs Atheismus und der Altersunterschied von zehn Jahren zwischen ihnen waren Problem genug. Sie hielt es für möglich, daß Hughs Atheismus nicht so tief saß wie Robins. Indem Hugh eine Frau fand, würde er vielleicht auch Gott finden. Und Helen wußte, daß sie Hugh brauchte. Sie hatte nur eine ziemlich verschwommene Vorstellung von der körperlichen Seite der Ehe, da ihr Vater sie natürlich nie aufgeklärt hatte. Robin hätte ihr zweifellos alles in wissenschaftlichen Details erklärt, aber Helen, prüde und romantisch, hatte Robins Aufklärungsversuche stets gleich im Keim erstickt. Die Liebesromane, die sie sich aus der Leihbücherei holte, nährten Helens Vorstellung von einem einfach göttlichen Miteinanderverschmelzen. Wie beim Küssen, nur noch mehr. Sie verbrachte einen großen Teil des Tages damit, sich vorzustellen, wie Hugh sie küßte.
    Doch das größte Hindernis, das ihrer Heirat im Wege stand, war ihr Vater. Hugh war gewiß ebenso klar wie ihr selbst, daß sie ihren Vater niemals verlassen konnte. Er brauchte sie. Ein Grauen, daß sie vielleicht den Rest ihres Lebens als alte Jungfer zubringen würde, beschlich sie.
    Mit Hilfe von Charles Maddox hatte sich Maia einen gesellschaftlichen Kreis geschaffen; die Post brachte Einladungen; Leute mit den besten Beziehungen riefen sie an und baten sie zu Cocktailpartys. Maia erkannte, daß sie, jung, wohlhabend und verwitwet, eine wertvolle Ware war. Mit ihren Verehrern ging sie klug und vorsichtig um. Sie wußte, daß sie ihr Interesse wachhalten mußte, ohne ihren Hoffnungen zuviel Nahrung zu geben.
    Gleich würde Charles kommen, um sie abzuholen. Sie sah dem Abend weder mit Freude noch mit Abneigung entgegen; er war lediglich eine Pflichtübung. Die Eigentümerin des Kaufhauses Merchant mußte sich auf dem ersten Wohltätigkeitsball der Saison sehen lassen. Es war eine Veranstaltung, an der sie schon zusammen mit Vernon teilgenommen hatte. Bei der Erinnerung hob Maia ihr Glas an die Lippen und trank zügig.
    Das Herbstwetter war kalt und frostig, und Charles, der ihr in ihren Pelz und in den Wagen half, gab sich fürsorglich. »Ach, mach doch nicht so ein Tamtam, Charles«, sagte Maia milde, als er sie in eine Decke packte. In seinen blauen Augen sah sie die anbetende Bewunderung, die ihr in letzter Zeit ein klein wenig auf die Nerven zu gehen begann. Auf dem Fest gelang es ihr, ihn abzuschütteln; strahlend, schön und witzig flatterte sie von Verehrer zu Verehrer. Aber irgendwann war er plötzlich wieder an ihrer Seite, brachte ihr Champagner und Canapés, legte besitzergreifend seine Hand an ihre Taille, seinen Arm um ihre Schultern, als wollte er den Rest der Welt abwehren. Als er sich zu ihr hinunterbeugte und ihren Hals küßte, schlug ihre Verdrossenheit in Ekel um, und sie ließ ihn mit einer Entschuldigung stehen, um die Toilette aufzusuchen.
    Ein Dutzend Frauen standen dort vor den Spiegeln und frischten ihr Make-up auf. Sie unterhielten sich über Schwangerschaften und Entbindungen, genau die Art von Gespräch, die Maia stets tunlichst zu meiden suchte. Aber sie wollte noch nicht in den Ballsaal und zu Charles zurück, deshalb nahm sie ihren Lippenstift und ihre Puderdose aus ihrer kleinen Abendtasche und zog sich mit großer Sorgfalt die Lippen nach, wobei sie sich bemühte, das Geschnattere rundherum zu

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