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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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die Landstädtchen, stellte sich Helen alles im Geist vor, und zum erstenmal seit Jahren meldete sich wieder ihr alter Wunsch zu reisen. Nach einer Weile sagte Adam: »Und Sie, Helen?«
    »Ich?« Nichts fiel ihr ein, was sich zugetragen hatte, seit er aus Thorpe Fen weggegangen war. Die Wochen waren ein einziges verschwommenes Durcheinander. »Ach, ich habe gar nichts erlebt.« Helen sah an sich hinunter, bemerkte ihre fleckige Schürze, die zerrissenen Strümpfe. »Ich sehe schauderhaft aus …«
    »Nein.« Adam stand auf und kam zu ihr. Er nahm ihre Hand. »Sie sind schön, Helen.«
    Sie spürte, wie seine Lippen ihr Haar berührten und dann ihre Stirn. Sie stand ganz still, und etwas in ihr wartete darauf, daß er tun würde, was Maurice Page getan hatte; daß er fordern, verletzen, demütigen würde. Aber statt dessen zog er sie an sich, hielt ihren Kopf an seiner Brust, streichelte ihr Haar, ohne mehr zu verlangen, als sie zu geben bereit war.
    »Liebste Helen«, sagte er leise.
    Sie seufzte glücklich und schloß die Augen. Sie spürte seine warme Haut durch den dünnen Stoff seines Hemdes und die Kraft seiner Arme, die sie umschlossen. Es erstaunte sie, daß ein Mann, der so groß und kräftig war, so sanft sein konnte. Sie erinnerte sich, wie sie ihm als Kind manchmal bei der Arbeit zugesehen hatte, wie er mit seinen kantigen, kraftvollen Händen die schönsten Formen aus einem Stück Holz hervorgelockt hatte.
    »Adam.« Sie genoß es, nur seinen Namen zu sagen. Sie berührte sein vertrautes, geliebtes Gesicht. Sie konnte nicht glauben, daß sie ihn je unscheinbar gefunden hatte.
    »Mein Liebes.«
    Sie sah ihm in die Augen und sah ihr eigenes Glück in ihnen gespiegelt. Aber dann hörte sie Schritte im Korridor. Bevor sie sich von Adam lösen konnte, wurde die Tür geöffnet.
    Julius Ferguson blieb auf der Schwelle stehen, die Hand noch am Türknauf. Seine Augen waren weit aufgerissen. »Wie können Sie es wagen, Sir!« Er lallte beinahe vor Wut. »Wie können Sie es wagen, sich meiner Tochter zu nähern!«
    Helen erstarrte, doch Adam ließ sie nicht gleich aus seinen Armen. Als Julius Ferguson näher trat, glaubte Helen einen schrecklichen Moment lang, ihr Vater würde sie mit Gewalt voneinander trennen. Sie riß sich von Adam los und ging ihrem Vater entgegen. Adams Hand glitt von ihrer Schulter und fiel leer herab.
    »Daddy«, sagte sie hastig.
    »Sei still, Helen! Und Sie, Sie Lump – verschwinden Sie aus meinem Haus.«
    Adam war nur ein kleines Stück zurückgewichen. Sein Gesicht war blaß geworden, doch seine Stimme war ruhig. »Ich will Helen nichts Böses, Mr. Ferguson. Im Gegenteil.«
    Julius Ferguson schwollen die Stirnadern. »Unterstehen Sie sich, in so vertraulicher Weise von meiner Tochter zu sprechen!«
    »Daddy – bitte!« Helens Stimme klang wie ein Schmerzensschrei. Doch ihr Vater stieß sie weg, als sähe er sie kaum, und stellte sich zwischen sie und Adam. »Verschwinden Sie aus meinem Haus, bevor ich die Polizei hole!«
    »Das wird nicht nötig sein, Sir«, entgegnete Adam ruhig. »Und es besteht auch kein Anlaß, zu Helen grob zu sein.«
    »Sie haben die Dreistigkeit, mir zu sagen, wie ich meine eigene Tochter zu behandeln habe?« Julius Ferguson ging noch einen Schritt auf Adam zu.
    »Nein, Daddy«, schrie Helen und packte ihren Vater beim Arm, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen.
    Der Blick in seinen Augen, als er sich ihr zuwandte, brachte sie zum Schweigen. Sie sah die eisige Verachtung, die auf den Schmerz, den er ihr zufügte, keine Rücksicht nahm, und sie sah die Selbstzufriedenheit, mit der er sich seiner Macht bewußt war.
    »Geh auf dein Zimmer, Helen.«
    »Du brauchst nicht zu gehen, Helen.« Adams Stimme war liebevoll, sein Blick suchte den ihren. »Zwischen Helen und mir ist nichts Unschickliches geschehen, Mr. Ferguson«, fügte er stolz hinzu. »Ich würde Helen niemals weh tun. Das weiß sie.«
    »Ich habe gesagt, geh auf dein Zimmer, Helen!« Seine harte, scharfe Stimme drang ihr bis ins Innerste und brach wie immer schon ihren Willen. »Mit dir spreche ich später.«
    Helen stürzte aus dem Zimmer und blieb zitternd, die Hand auf den Mund gedrückt, im Korridor vor der geschlossenen Wohnzimmertür stehen.
    »Wenn hier überhaupt jemand Strafe verdient hat, dann ich.« Adams Stimme klang nur gedämpft durch die Tür, aber sie konnte die Worte verstehen. »Aber ich sage es noch einmal, Herr Pastor, ich will Helen nichts Böses. Meine Absichten ihr gegenüber sind

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