Das Winterhaus
steinernen Seitenflügel von Long Ferry Hall schlossen sie ein. »Wie ein Theater«, flüsterte Francis, dann rannte er zur Mauer und begann an einem wackeligen Regenrohr hinaufzuklettern. Obwohl sie Fackeln und Petroleumlampen mit hinausgenommen hatten, verloren sein Gesicht und sein Körper sich schnell in den Schatten. Nur sein helles Haar leuchtete im Mondschein. Als er das Dach erreicht hatte, ging er die abbröckelnde gezinnte Kante entlang, eine Champagnerflasche in der einen Hand, den anderen Arm seitlich ausgestreckt, um die Balance zu halten. Als er die oberste Ecke des Baues erreichte und vor dem dunklen, gestirnten Himmel stand, begann er zu sprechen. Seine Stimme klang klar in der Stille des Hofs.
»›Oh, welch ein Schurk' und niederer Sklav' bin ich …‹«
Er deklamierte den ganzen Monolog oben auf den Zinnen stehend, und er schien, dunkel im Dunkel der Nacht, in der Tat wie in Hamlets ernstes Schwarz gekleidet. Am Ende verneigte er sich, und Vivien applaudierte, und andere klatschten und jubelten ihm zu. Aber Robin, die mit auf den Mund gedrückter Hand dastand, fand nur, er sähe unglaublich zerbrechlich und verloren aus, als könnte der kleinste Windhauch ihn umhauchen.
Danach tobten sie im langen Zug, der sich um Kamine und quer durch lange Galerien schlängelte, über die Dächer, und als die Polonaise sich auflöste, schlug jemand Verstecken vor. Sie schwärmten im ganzen Haus aus, spukten wie betrunkene Gespenster durch Schränke und Kammern und Alkoven. Selena verstauchte sich den Knöchel, als sie die Wendeltreppe hinunterfiel, und Angus klappte in der Speisekammer zusammen, wo er schnarchend liegenblieb, mit verschüttetem Mehl und Rosinen bestreut. Francis, in dessen Augen ein dämonisches Feuer leuchtete, dirigierte alles.
Als langsam der Morgen kam, ging Robin hinaus und setzte sich auf eine Steinbank im Hof. Sie hatte ihren grauen Umhang verloren, und die frühe Morgenluft lag kühl und angenehm auf ihren bloßen Armen. Ihr Kopf wurde wieder klar, während sie zusah, wie allmählich der Tag heraufzog. Ein halb abgebröckelter Greifvogel, aus dessen aufgerissenem Schnabel ein Wasserrohr hervorsah, schwebte über ihr an der Mauer. »Du hast gut lachen«, sagte Robin laut mit einem zornigen Blick zu ihm hinauf.
»Das sind die ersten Anzeichen von Geisteskrankheit«, flüsterte Francis, sich neben sie auf die Bank setzend.
Sie hatte ihn nicht kommen gehört. Sie hatte Francis und Joe vor Stunden aus den Augen verloren. So, dachte sie, während sie dort in der Dunkelheit saß, war es immer mit Francis: Stets mußte sie ihn mit anderen teilen.
»Ich hab dich vermißt«, sagte Francis.
Er wirkte weich und verletzlich, und sie sah das Unglück, das manchmal hinter der heiteren Fassade flüchtig sein Gesicht zeigte.
»Ich hab dich im ganzen Haus gesucht, Robin. Stundenlang.«
»Ich wollte an die frische Luft. Es waren einfach zu viele Menschen.«
Er sagte trübselig: »Wie immer, nicht wahr? Zu viele Menschen – zuviel Lärm – zuviel Gerede. Manchmal kann man gar nicht denken, nicht wahr?«
Stumm schüttelte sie den Kopf.
»Du bleibst doch bei mir, Robin, nicht?«
Sie hörte die Furcht in seiner Stimme.
»Ich weiß, ich war in letzter Zeit dauernd unterwegs, Robin. Ich weiß, daß ich dich zu Dingen mitschleppe, auf die du lieber verzichten würdest. Aber du bleibst doch bei mir, nicht wahr?«
Sie rückte näher an ihn heran und legte ihren Kopf an seine Brust. Er nahm sie in die Arme. Seine Küsse waren jetzt anders als bei der leidenschaftlichen Umarmung des frühen Abends. Sanft und ohne Drängen, Zeichen der Freundschaft eher als des Begehrens.
Sie flüsterte: »Natürlich, Francis. Das weißt du doch.«
Maia war übers Wochenende weg gewesen. Am Freitagnachmittag hatte sie Cambridge verlassen und war erst spät am Samstagabend zurückgekehrt. Es war ihr zur Gewohnheit geworden, jeden Monat am ersten Wochenende aus Cambridge zu verschwinden. Niemand – weder Liam Kavanagh noch ihre Haushälterin, noch Robin oder Helen – wußte, wohin sie verschwand. Die lange Fahrt hatte sie erschöpft, das sagte sie sich zumindest, um sich ihre Müdigkeit und innere Unruhe zu erklären. Während sie allein in ihrem Salon saß, einen Gin mit Wermut in der Hand, versuchte sie, nicht an den Freitag zu denken. Doch die Erinnerung drängte sich ihr immer wieder auf: Edmund Pamphilons letzter Tag bei Merchant. Er hatte darauf bestanden, sie allein zu sprechen. Er hatte nichts weiter gesagt
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