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Das Wuestenhaus

Titel: Das Wuestenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Wolfram
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weißen Hosen und mit einer Anzugjacke lehnten Sie an dem Wagen und tippten etwas in Ihr Telefon. Als Sie mich sahen, zwinkerten Sie mir fröhlich zu, als gebe es nichts zu verbergen. Sie boten meinem Vater an, er könne fahren, weil Sie der Tag erschöpft habe, zudem seien Sie ein miserabler Fahrer. Mein Vater nahm das Angebot an, und Sie lotsten ihn über einige schon leicht im Dämmerlicht liegende Pisten in Richtung der kleinen Stadt.
    Wir fuhren vorbei an im Schatten liegenden Siedlungen, Palmenpflanzungen, einem an der Straße auf mehrere Kleintransporter verteilten Markt.
    Sie baten meinen Vater, kurz anzuhalten, stiegen aus, sprachen mit einem alten Mann, der eine graublaue Basecap trug, drückten ihm etwas Geld in die Hand und kamen mit einer Papiertüte voller Kaktusfeigen wieder. Niemand von uns hatte bisher diese Frucht gegessen. Sie fragten meinen Vater, ob er ein Messer habe. Er hatte keins, also konnten Sie zeigen, wie man sie geschickt mit einem Löffel aufbekommt;
Sie hatten sich einen aus dem Hotel ausgeborgt, wie Sie sagten, weil man den in der Gegend immer gut gebrauchen könne. Angeblich hatte ein Kollege in Tunis Ihnen gezeigt, wie man die Feigen isst. Sauber aufgetrennt lagen plötzlich zwei Hälften der grünen Frucht in Ihren Händen. Als ich sagte, ich hätte keinen Appetit, drehten Sie sich zu mir um und überredeten mich sanft: »Sei nicht so übervorsichtig. Probier wenigstens eine.«
    Ich verstand recht schnell, wie der Trick mit dem Löffel funktionierte, aß drei der Feigen und sah wieder zum Wagenfenster hinaus. Die Kaktusfeigen waren wirklich köstlich, ein fleischiger, fruchtiger, leicht säuerlicher Geschmack. Ich fürchtete, uns würde allen schlecht werden. Sonst achtete mein Vater penibel darauf, keine Früchte an der Straße zu kaufen. Sie schienen alle Bedenken einfach weggewischt oder ins Vergessen geschickt zu haben. Über das Interview mit dem Ägypter verloren Sie kein Wort.
    Nach einer Stunde Fahrt erreichten wir das große, mit Zypressen und Pinien bestandene Grundstück. Das Fest war von einem Journalistenverband aus Tunis ausgerichtet worden, eine Feier, bei der ich bis heute nicht verstanden habe, um was es eigentlich ging. Sie sagten damals, ein reicher Mann habe sein Haus für die Gelegenheit zur Verfügung gestellt. Der Mann, im Übrigen auch ein Deutscher, habe einiges in die hiesige Wirtschaft investiert, zudem sei er mit Hilfsprojekten beschäftigt. Er habe Ihnen bei der Arbeit, mit der Sie sich gerade beschäftigten, geholfen.

    Jedenfalls waren viele Menschen da. Ein Garten hinter einem kubusartigen, noblen weißen Haus, rückwärtig umgeben von Sträuchern und einigen dürren Palmen mit gelb angelaufenen Blättern.
    Auf einem Platz waren mit weißen Decken überzogene Tische ins Freie gestellt worden, rund um einen Pinienbaum, dessen Zweige sich wie ein gefiedertes schattiges Dach über den Platz neigten. Es gab Couscous in großen, bemalten Schüsseln, dazu ein Büfett mit Rindfleischspezialitäten, einer fast pyramidenartigen Formation von Platten und Schalen, daneben in länglichen Holzschalen aufgeschichtete Früchte. Orangen, Papayas, Kaktusfeigen. Dazwischen kleine braune Krüge mit Öl; bauchige Töpfchen mit Oliven. Alles wirkte sehr teuer und exklusiv; meine Eltern waren begeistert.
    Sie waren so freundlich, uns anderen Leuten vorzustellen. Auch dem ägyptischen Schriftsteller. Ein älterer, skeptisch wirkender Mann mit weißen kurzen Haaren, der sporadisch seine Fingerknöchel knacken ließ. Es war ihm sichtlich unangenehm, fremden Leuten vorgestellt zu werden. Er nickte in Ihre Richtung. »Ohne diesen Herrn hier wäre ich längst von der Insel verschwunden. Im Moment ist es besser, sich an anderen Orten dieser Welt aufzuhalten. Er hat mich mit seinen Fragen förmlich an dieses schreckliche Eiland festgenagelt wie einst die Götter den Prometheus an die Berge des Kaukasus.« Sie lachten und sagten: »Die meisten Menschen sehen in uns Journalisten leider keine Götter, sondern eher lästige Verfolger.«

    »Ist das nicht dasselbe, junger Mann?«
    Mein Vater lachte nun auch und meinte, auf Sie weisend: »Ich glaube, dieser Mann gehört in keine der beiden Kategorien.« Der Ägypter sah meinen Vater misstrauisch an und fragte ihn: »Sie gehören auch zur Redaktion?« Ehe mein Vater etwas antworten konnte, sagten Sie: »Nein, er gehört zu Ihrem Berufsstand. Er ist Schriftsteller.« Mein Vater schüttelte abwehrend den Kopf, blickte mit einem Ausdruck

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