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Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Titel: Das Wunder von Grauenfels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktoria Benjamin
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und hat nicht immer Zeit für die Rundumbetreuung. Man kann Bernie nicht aus den Augen lassen. Bei uns ist er aber willkommen. Die Gruppenleiterin freut sich über jedes Kind. Das gibt mehr Zuschüsse. Bernie macht bei den Fünfjährigen mit.«
    »Und Sophie?«, fragte Berit.
    »Oh, Sophie ist der Überflieger in der Familie. Ich glaube, Beckers staunen jeden Tag, was für ein Schmetterling ihnen da geboren wurde. Sie unterstützen ihre Tanzerei, wo sie können, aber finanziell sind da einfach Grenzen gesetzt. Frau Becker hat schon mal gesagt, sie sei traurig über die Wende. In der DDR hätte man Sophie von klein auf gefördert, aber jetzt müssen sie alles selbst bezahlen.«
    »Aber hier gibt es doch sicher auch Fördermittel für begabte Tänzer«, wandte Gina ein.
    Jaeger zuckte die Schultern. »In den Großstädten bestimmt. Aber in Grauenfels? Außerdem ist Sophie noch sehr jung. Ich denke, die staatlichen Ballettschulen nehmen die Kinder erst später an. Für die Grundausbildung müssen die Eltern selber sorgen. Gucken Sie mal, da kommen die Mädchen.« Jaeger wies über den Platz.
    Claudia und Sophie verließen das McDonald’s und sahen sich suchend um.
    »Ich denke, ich verziehe mich dann. Sie wollen doch in Ruhe mit ihnen reden.« Der Pfarrer stand auf.
    »Gehen Sie und waschen Sie ihre Hände in Unschuld«, sagte Gina und grinste zum Abschied. Sie fand es verständlich, dass Jaeger so wenig wie möglich mit dem Wunder von Grauenfels zu tun haben wollte.
    Berit winkte Claudia und Sophie vom Caféfenster aus zu. Als die Mädchen sie sahen, kamen sie herein und fläzten sich auf die freien Stühle.
    Als die Kellnerin an ihren Tisch kam, bestellte Claudia eine Cola, Sophie Cola light. Nach der Hamburgerorgie schlug der Tänzerin offensichtlich das Figurgewissen. Keines der Mädchen machte Anstalten, das Restgeld aus dem reichlichen Spesenvorschuss zurückzugeben. Dafür machten sie es spannend. Bevor die Gläser nicht vor ihnen standen, fiel kein Wort über Sophies Entscheidung.
    »Also«, meinte Sophie schließlich, als Gina begann, nervös auf der Tischplatte zu trommeln, während Berit an ihrem Pony zupfte. »Im Prinzip würde ich es schon machen …«
    »Aber wir haben noch ein paar Fragen«, fügte Claudia hinzu. »Zu den Infos, die Sie uns gegeben haben.«
    »Nur zu«, ermunterte sie Gina. »Dazu sind wir hier.«
    »Das Erste ist der Zeitaufwand«, meinte Sophie. »Diese Kinder da in Lourdes und Fátima …« Sie wedelte mit dem Aktenordner. »… scheinen den ganzen Tag gebetet zu haben. Und selbst wenn sie mal schliefen, sahen sie wie Engel aus. Das kriege ich zeitlich nicht hin. Ich muss trainieren. Und nach zwei Stunden Tanz kann ich auch nicht mehr so engelhaft gucken.«
    »Na ja, man muss ja auch die Zeit sehen, in der sich die anderen Sachen so zugetragen haben«, überlegte Gina. »Die meisten Seherinnen waren Schäferinnen, wenn ich mich recht erinnere. Kaum eine hat die Schule besucht. Die hatten natürlich Zeit zum Beten. Von euch verlangt das niemand. Jedenfalls nicht dauernd. So ab und zu solltet ihr euch schon in der Kirche oder am Verkündigungsort aufhalten. Das sprechen wir noch ab. Aber die Schule und dein Tanz dürfen natürlich nicht zu kurz kommen.«
    »Wieso haben diese Kinder überhaupt was gesehen?«, wollte Claudia bei der Gelegenheit wissen. »Diese ganzen Texte hier – da geht doch keiner davon aus, dass das alles Beschi…, sorry , Betrügereien waren. Diese Bernadette und diese Lucia und so, die haben doch nichts für die Show bekommen? Waren die also bekloppt, oder was?«
    Berit zuckte zunächst zusammen und anschließend die Achseln. Diese Ausdrücke würden sie den Mädchen wirklich noch abgewöhnen müssen. Aber dann hob sie erst mal zu einer weiteren Erklärung an. »Dumm waren diese Kinder sicher nicht. Und wieweit man psychische Störungen annehmen muss – das ist ja auch viel Ermessenssache. Psychologischsind die Erscheinungen jedenfalls relativ leicht zu erklären. Stellt euch mal die Situation vor: Die Kinder hocken den ganzen Tag mit ihren Schafen oder Ziegen in den Bergen. Keine Schule, keine Bücher, keine Musik. Nur gähnende Langeweile. Die einzigen Geschichten, die man ihnen erzählt, sind Heiligenlegenden. Ist es da verwunderlich, dass sie viel drumrumfantasieren? Je weniger Sinnesreize jemand empfängt, umso aufgeschlossener ist er für Halluzinationen, das ist nachgewiesen. Dazu kommt, dass relativ viele Jugendliche zum Sehen eidetischer Bilder neigen.

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