Das Wunder von Grauenfels (German Edition)
Zu ihrer Überraschung war es hell und mit Kiefernholzmöbeln zweckmäßig eingerichtet, sogar Blumen hatte jemand auf den Tisch gestellt.
»Das war unser guter Geist, Frau Clarsen!«, erklärte Igor Barhaupt. »Kommen Sie mal, Sybille, ich möchte Ihnen unsere neuen Mitarbeiterinnen vorstellen.«
Frau Clarsen, eine feingliederige junge Frau mit langem hellblondem Haar, das sie zum braven Knoten am Hinterkopf gebändigt hatte, trat aus dem Nebenzimmer zu ihnen.
»Wir haben uns gestern schon kurz kennen gelernt«, meinte Gina freundlich. »Frau Clarsen war so nett, die Einsatzpläne zu tippen – und fünfmal zu ändern. Vielen Dank noch mal. Aber was haben Sie denn mit Ihrem Gesicht gemacht?«
Hinter Frau Clarsens großem, in schmeichelnden Braun- und Goldtönen gehaltenem Brillengestell hatte man es zunächst gar nicht gesehen, aber bei näherer Betrachtung fiel das fast zugeschwollene, rot unterlaufene rechte Auge auf.
»Ach nichts, ich bin gegen eine Tür gelaufen«, meinte Frau Clarsen errötend. »Ich bin manchmal schrecklich ungeschickt, wissen Sie. Was ist das denn, haben Sie ein Haustier?« Frau Clarsens Blick fiel auf Ginas liebevoll gestaltete Glücksdrachenecke. »Ich bringe manchmal meine Katze mit, wenn mein Mann – aber falls Sie einen Hund haben –?«
»Nein, nein, das ist nur Feng-Shui«, beruhigte Berit sie. »Eine kleine Marotte meiner Kollegin. Da sitzt – na, so in den Einzelheiten brauchen wir das eigentlich gar nicht auszuführen. Aber er beißt jedenfalls nicht.«
Die Katze erwies sich als dreifarbiges, ziemlich kleines Tier, dessen Hauptbeschäftigung im Schlafen bestand. Der Glücksdrachehatte offenbar nichts dagegen, dass sie sich dazu schnell seine Ecke auserkor. Ansonsten legte sie ihre ganze Energie in die Terrorisierung des armen Rex. Der geifernde Riesenköter des Bürgermeisters hatte nichts zu lachen, wenn Mauna ihre lebhaften fünf Minuten zeigte. Skrupellos schlug sie ihre Krallen in die Lefzen des geduldigen Schäferhundes, der sich daraufhin gefrustet unter den Schreibtisch seines Herrn zurückzog.
»Wenn ihr Frauchen bloß auch mal so wehrhaft wäre«, raunte Gina Berit zu und wusch ein paar Spuren von Rex’ Liebesbezeugungen von ihrem Rock. »Wenn du mich fragst, ist die nicht gegen eine Tür gelaufen, sondern gegen eine Faust, und die Katze muss mit, weil Herrchen einen Kater hat.«
»Du hast zu viel Fantasie«, bemerkte Berit und wechselte das Thema. »Ich habe mir das mit der Dramaturgie übrigens noch mal durch den Kopf gehen lassen. Im Grunde hat Claudia Recht, wir brauchen mehr Action auf dem Erscheinungsplatz.«
Gina nickte. »Sag ich doch. Also was machen wir? Lassen wir die Jungfrau Kondome verteilen?«
Berit kicherte. »Damit hätten wir auf jeden Fall Schlagzeilen. Was mich daran erinnert, dass ich den Typen von der Lupe noch anrufen muss. Aber im Ernst, woher sollte der Segen denn kommen? Wir müssten sie aus dem Nichts erscheinen lassen.«
»Wenn’s weiter nichts ist – das macht Copperfield mit links«, bemerkte Gina.
Berit nickte. »Womit wir beim Thema wären. Es ist nicht eilig, aber auf die Dauer brauchen wir einen Zauberer. Kennst du zufällig einen?«
»Es ist nur ein Angebot. Wenn du Tanzstunde hast, musst du natürlich nicht mit«, Gina wedelte im Flur des Bürgermeisteramtsmit einer Hand voll Freikarten vor Sophies Nase herum. »Circo Magico – Erleben Sie ein paar verzauberte Stunden«.
Igor Barhaupt hatte ihr die Karten gerade im Vorübergehen in die Hand gedrückt. »Hier, die gastieren ab morgen auf dem alten LPG-Gelände. Falls Sie Lust haben – vielleicht kriegen Sie ja ein paar Anregungen.«
»Bernie geht bestimmt gern mit«, meinte Sophie entschuldigend. Sie war vorbeigekommen, um sich ein paar Zeitungsausschnitte abzuholen. Diesmal hatten praktisch sämtliche Zeitungen in Thüringen über die Erscheinungen berichtet, und auch im restlichen Bundesgebiet stieß das »Wunder von Grauenfels« auf immer mehr Interesse. »Ich kann den Unterricht wirklich nicht ausfallen lassen. Habt ihr Claudia schon gefragt? Die hat wahrscheinlich Lust. Aber passt bloß auf, das letzte Mal, als ich mit ihr im Zirkus war, haben sie jemanden gesucht, der sich freiwillig zersägen lässt, und sie hat sich sofort vorgedrängt.«
Berit verdrehte die Augen. »Und, haben sie sie genommen?«
»Nein, natürlich nicht. Ich nehme an, die hatten ein Mädchen im Publikum, das den Trick kannte. Claudia war jedenfalls total enttäuscht.«
»Wir passen auf,
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