Das Zeit-Tippen
rülpste und machte sich auf dem Teppich breit. Sie konnte es nicht riechen.
Sie beendete das Bild. Ihr Vater kam nach unten, stolperte über einen Fangarm und winkte zum Abschied. Sie skizzierte es schnell. Das war einfacher. Sie könnte es später aus dem Gedächtnis rekonstruieren. Im Augenblick wollte sie nur die Liebe in voller Blüte festhalten.
Onkel Milton verabschiedete sich mit einem liebevollen Stirnrunzeln. Sie sagte ihm nicht auf Wiedersehn. Er war nie wirklich gewesen.
Das Sternchen war vollkommen, ausgewachsen, sorgsam gehegt von der Dienerschaft seines Selbst. Es spritzte Eiter in die Luft. Es war eine Cornflakespackungsonne, die Cornflakespackungliebe ausstrahlte.
Die Trommel war oben. Maureen rannte in ihr Zimmer, fand die Trommel auf ihrer Spielzeugtruhe und trug sie nach unten. Ehe sie das Wohnzimmer erreichte, verschwand die Trommel.
Es war schon spät. Sie mußte damit vorankommen. Sofort. Mutti zuliebe. Und Vati zuliebe. Und vielleicht auch Onkel Milton zuliebe.
Sie streckte die Handflächen aus und ging im Takt seines Pulsschlags auf das Sternchen zu. Sie steckte die Hände unter es und hob es in die Höhe. Es hing zwischen ihren Fingern.
Sie nahm es in sich auf; sie aß es, sie osmosierte es, sie transformierte es. Sie fühlte es in ihren Augen, eine Schwere, eine Weite, die alles umspannen, sich im Geiste vorstellen konnte – voller Liebe.
Träume den Traum, male das Bild. Es ist alles in der Conflakespackung enthalten, zum Verzehr bereit. Es läßt sich jetzt nichts mehr ändern. Die Trommel ist wieder verschwunden. Du hattest deine Chance.
Sie öffnete die Tür und blinzelte mit ihren ovalen Augen der Morgensonne zu.
Und alle waren da. Standen da. Lächelten. Lachten.
Steinerne Tage
Es dämmerte, und Mrs. Fishbine lag noch immer im Bett, wechselte die Fernsehkanäle durch Fernsteuerung, blätterte in Modezeitschriften herum und starrte gelegentlich durch das Zimmer aus dem Fenster. Der Abend drohte lang zu werden und eisig kalt; aber sie würde die Heizung höher stellen, ihre Mentholzigaretten rauchen und zuschauen, wie die Frostfinger mitternächtliche Szenen auf die Scheibe ätzten. Sie würde darauf warten, daß das Telefon klingelte. Sie würde darauf warten, daß ihre Söhne ihr einen Überraschungsbesuch machten.
Ich werde nichts essen, dachte sie, bis sie mich anrufen.
Sie wandte sich wieder den Zeitschriften zu.
Mrs. Fishbine konnte stundenlang im Bett liegen, fast ohne sich zu bewegen. Sie würde die Schnörkel an der Decke anstarren und von einem jungen Mann träumen, der ihr als Gegenleistung für einen Kuß und ein Lächeln stumm all ihre Träume zurückgeben würde. Aber allmählich würden ihre Erinnerungen ihre Tagträumereien vergiften und sie in starre kalte Dinge verwandeln. Sie würde sich daran erinnern, daß sie zweiundsechzig war und ihr Haar sich lichtete. Make-up verkrustete ihr Gesicht nun – sie hatte zuviel davon genommen, um ihre Falten zu verdecken. Dann würde sie sich, nachdem sie sich alt und häßlich und schwach fühlte, daran erinnern, daß Dämon sie nach dreißig Jahren verlassen hatte. Nachdem sie seinetwegen alles aufgegeben hatte.
Sie war also nun alt und tot – sie wiederholte die Worte vor sich hin: tottot und alt. Aber er war ein Mann, und ein Mann konnte tun und lassen, was er wollte. Ein Mann konnte eine jüngere Frau finden, die für ihn sorgte. Es lungerten immer genug herum. Jüngere Frau, sagte sie zu sich. Dämons neues Spielzeug war vierzig; sie würde auch bald Falten bekommen. Laß ihr Gesicht abfallen.
Im allgemeinen erwachte sie, wenn sie an Dämon dachte, aus ihrer Trance. Diesmal würde sie jedoch nicht die Augen aufschlagen. Sie würde sterben, auch wenn sie weiteratmete. Ihre Gedanken ringelten sich wie Zigarettenrauch in den Unendlichkeiten des Rots hinter ihren Lidern, Sie ersann sich das Gewöhnliche, aber Blutige: den Tod für Dämon und Lorna. Sie ging ihre übliche Liste von Autounfällen und Rowdys durch und entschied sich für eine ganz prosaische Vergewaltigung: Dämon würde gefesselt und gezwungen zuzuschauen, wie ein junger Mann mit glattem Haar Lorna folterte und tötete.
Die Träume enthedderten sich, als sie in die tieferen Thermozonen des Schlafes sank.
Ich liebe dich, es tut mir leid, ich liebe dich, es tut mir leid, flüsterte er ihr in einem Traum zu, der so grell war wie Kriegl-Lampen. Aber er hatte immer noch sein Gesicht. Er war immer noch jung. Er würde seine Geliebte
Weitere Kostenlose Bücher